Dieser Spionagethriller von Dan Wells führt die Leser zurück in die Zeit des
Kalten Krieges, direkt an die Grenzlinie zwischen West- und Ostberlin. Der Titel
»Ghost Station« steht für die Geisterbahnhöfe in Berlin, Bahnhöfe der
U-Bahnen, in denen mit dem Mauerbau keine Züge mehr halten durften, weil die
Bahnhöfe selbst im anderen Berliner Sektor waren. Deren Gleise wurden
allerdings trotzdem benutzt, um die Bahnen selbst von West nach West und von Ost
nach Ost fahren zu lassen.
Der Roman beginnt im Oktober 1961, zwei Monate nach dem Bau der Mauer. Wallace
Reed ist Mitarbeiter der CIA und Spezialist für die Chiffrierung. Er arbeitet
mit einer Handvoll Kolleginnen und Kollegen von CIA und vom
Bundesnachrichtendienst in einem Büro an der Mauer mit Blick auf den Ostteil
der Stadt. Das Büro beziehungsweise Ihre Abteilung wird Cabin D genannt.
Reed hat als Kryptograph die Aufgabe, die Nachrichten des wichtigsten
Doppelagenten, den die CIA bei der Stasi platziert hat, zu entschlüsseln. Doch
eines Tages schickt dieser eine Nachricht, die offenbar keinen Sinn ergibt.
Nicht nur Reed, auch alle anderen in der Abteilung können sich keinen Reim auf
diese Nachricht machen. Doch vielleicht steht ein Angriff der Sowjets bevor? Der
Inhalt der Nachrichten muss richtig entschlüsselt werden und Sinn ergeben. Reed
folgt den Spuren bis in den Ostteil der Stadt, wo es für ihn gefährlich werden
kann.
Zunächst war ich beeindruckt von der detaillierten Beschreibung des
U-Bahn-Systems zum damaligen Zeitpunkt. Dan Wells hat penibel recherchiert und
sehr gut beschrieben. Und so brillant stellt er auch den Mikrokosmos der
Geheimdienststelle Cabin D vor. Zwar arbeiten zunächst alle auf derselben
Seite, doch dann sorgt die Entschlüsselung der Nachrichten des Doppelagenten
für Misstrauen. Dieses Misstrauen kommt beim Lesen zum Greifen nah. Die Luft in
den in den Büros ist zum Schneiden. Plötzlich traut keiner dem oder der
anderen. Jeder spürt den Verrat in den eigenen Reihen, einschließlich die
Lesenden.
Dies macht den Spionage-Thriller so spannend, dass man nur so durch die Seiten
fliegt. Die sich aufbauende Romanze zwischen Reed und einer Kollegin lässt auch
an dieser Stelle das Kribbeln ansteigen. Man möchte natürlich wissen, wie es
zwischen den beiden weitergeht. Es ist alles andere als vorhersehbar, denn
schließlich steht immer wieder ein Misstrauen im Raum. Keiner traut
irgendjemandem.
Was mir nicht so gefiel, ist eine reine persönliche Sache und ich weiß, dass
es viele Leser geben wird, die auch diesen Teil verschlingen werden. Für mich
persönlich waren die detaillierten Erklärungen zur Chiffrierung und
Dechiffrierung absolut uninteressant. Sie waren mir zu mathematisch, zu
verwirrend, zu technisch und ich konnte ihnen nicht folgen. Meiner Meinung nach
waren sie für die Spannung des Romans auch nicht notwendig. Ich musste nicht
den vertrackten Zahlenspiel folgen, um von dem Misstrauen in der Abteilung
mitgerissen zu werden.
Fazit
Ein spannender Thriller und Sprung in die Zeit des Mauerbaus, der das Misstrauen
der Mitarbeiter genauso zeigt wie das Misstrauen der Siegermächte des Zweiten
Weltkrieges. Wer einen Blick hinter die Kulissen der Geheimdienste werfen
möchte, ist mit dem Roman bestens beraten.
Vorgeschlagen von Detlef Knut
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veröffentlicht am 04. September 2023 2023-09-04 11:08:39