Dynamiken meistern statt Ohnmacht erleben
Es ist wieder eine dieser Zeiten. In denen im öffentlichen Diskurs der
Untergang der Welt thematisiert wird. Und, wieder einmal, auch zu Recht. Es
nutzt nun nichts, im Blick auch auf dieses Werk mit seiner sorgsamen
Aufarbeitung vielfacher heftiger Krisen der Weltgeschichte, achselzuckend alles
abzutun mit einem "Wird schon wieder oder nochmal gutgehen". Bei
näherer Betrachtung hat die Welt als solches zwar bereits viele Krisen
überstanden, aber gut gegangen ist das oft nun wirklich nicht, betrachtet man
die Folgen für Hunderttausende bis Millionen von Menschen zu Zeiten harter
Krisen.
Und ein Zweites tritt hinzu: die Steigerung der möglichen Krisenfolgen in ihrer
geographischen Verbreitung. Tatsächlich ist inzwischen nicht mehr nur ein
großer Teil, sondern die gesamte Welt in mannigfaltiger Form von ernsthaften
Problemen bedroht. Was aber in all der aktuellen Diskussion hier und da ein
stückweit zu kurz kommt und was dieses Werk Lesern und Leserinnen intensiv vor
Augen führt, ist, dass es verschiedenen auch konstruktive Haltungen gibt,
Krisen als solche anzunehmen und ihnen zu begegnen. Eben anders zu denken als
populistisch, marktschreierisch, resignierend oder leugnend.
Mit einem detaillierten und fundierten Blick zurück auf Krisenzeiten der Welt
und einer hoch interessanten Betrachtung, wie in Extremsituationen konstruktiv
wie destruktive Wege eingeschlagen wurden. Solidarische und gemeinsam die
Kräfte zusammenbringende Wege oder diktatorische Strukturen im Ruf nach einem
"starken Mann" oder einer "Starken Gruppe" zur Lösung
extremer Bedrohungen. Und welche Folgen die jeweilige Entscheidung zur
vermeintlichen Lösung jeweils nach sich zog.
Dabei stehen im Zentrum des Interesses dieses Werkes: "Die kommunikativen
und sozialen Dynamiken, die entstehen, wenn Alarm geschlagen wird". Und was
sich aus der ersten und immer stärker sich steigernden Aufregung an
Lösungsansätzen historisch je erwachsen ist. "Wir wollen diesen Zustand
jetzt und sofort ändern. Wir mobilisieren alle verfügbaren Kräfte, um die
Bedrohung zu beseitigen". Und man ist allgemein in solchen Zeiten auch
sozialer Dynamik vor allem von einem geleitet, rein von den tiefliegenden
Emotionen der Angst her.
Oft aber, und das zeigen die verschiedenen Beiträge im Buch eindrucksvoll auf,
sind schnelle und erste Lösungen bei Weitem nicht die Besten Lösungen. So gilt
also auch, aus den vielen Beispielen der Krisen in der Geschichte jene Kräfte
heraus zu extrahieren, die für eine gewisse Beruhigung angesichts der Gefahr
sorgen können, die mit einer gewissen inneren Distanz die Bedrohungen auch
faktisch und sachlich anzugehen verstehen.
Ein Blick auf die "Justinianische Pest" und ihre Verschlimmerung durch
eine Vielzahl. Hektischer Maßnahmen spricht hier eine beredte Sprache, wie auch
jene Neigung nicht weniger Menschen, immer und zu allererst persönlichen
Gewinn aus Krisen ziehen zu wollen und damit die Krise durch erodierende
Solidarität und Misstrauen auf breiter Fron noch zu verschlimmern. Missernten,
Arbeitermangel, Aufwiegeln des Volkes, Epidemien, all das ist keine Erfindung
der Neuzeit, sondern immer wieder in harter Form reale Geschichte der
Menschheit. Mit allein schon der Erkenntnis versehen, dass zu allen Zeiten in
Krisen Menschen, eben nur durch andere "Kanäle", soziale Dynamik bis
hin zur Massenpanik einander aufschaukelnd generierten. Ob zu Recht oder Unrecht
spielt für diese Erkenntnis dabei zunächst weniger eine Rolle.
Dass es auch anders geht und wie es besser gelingt, mit existenziellen
Bedrohungen Umgang zu finden, zeigen dann auch eine Reihe anderer historischer
Ereignisse. Denen vielfach gemein ist, dass besonnen reagiert wurde, allen
Einschränkungen abverlangt wurde, die soziale Dynamik nicht zu einem immer
weiter sich Erregen gegeneinander oder "eine andere Gruppe" der
Gesellschaft gesteigert wurde, sondern zu einem "Herunterkochen der
Gefühle" angeleitet wurde. Nicht jeder Katastrophe kann man mildernd
begegnen, immer aber gilt, dass gemeinsam besser mit Bedrohungen und deren
Folgen Umgang gefunden werden konnte.
Fazit
Not schafft eben unter bestimmen Voraussetzungen und bestimmten Werten des
Handelns tatsächlich Lösungen, kann aber auch bei hektischer Reaktion und
allein auf eigene Vorteile bedacht bleiben katastrophale Ereignisse bis zum
Exzess aufheizen.
Eine gut zu lesende, fundiert argumentierte und sachlich verständliche
Lektüre, die ohne allzu Große Bewertungen Bedrohungen und mögliche Reaktionen
auf solche hin darstellt. Mit natürlich klar zu lesenden Empfehlungen aus den
Fakten der Geschichte heraus, welche Haltungen und Handlungen eine größere
Chance darstellten, Bedrohungen für ganze Gesellschaften gemeinsam besser
abzufedern.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 20. Juli 2023 2023-07-20 17:47:45