Dies ist der Nachfolgeroman von »Die Wahrheit über Harry Quebert« von Joël
Dicker. Es hat viele Jahre gebraucht, bevor sich Joël Dicker dazu aufraffte,
eine Fortsetzung zu schreiben. »Die Wahrheit über Harry Quebert« ist ein ganz
besonderer Kriminalroman, was ich damals schon geschrieben hatte. Er weicht von
so vielen Regeln für Autoren ab und wirkt deshalb umso spannender und
fesselnder.
Mit »Die Affäre Alaska Sanders« knüpft Joël Dicker an diese ungewöhnliche
Konstruktion eines Kriminalromans an. Das ist auch der besondere Stil dieses
Schriftstellers. Auf die Figuren des vor einigen Jahren erschienenen Romans
zurückzugreifen, ist ein Trick, um alte Leser wieder zurückzugewinnen. Ein
hilfreicher Trick, der meiner Meinung nach zu funktionieren scheint.
Der Schriftsteller Marcus Goldmann hatte vor zwei Jahren (2008) den Fall um den
Schriftsteller Harry Quebert erfolgreich gelöst. Sein daraus resultierender
Krimi war überaus erfolgreich. Sein Verleger liegt ihm heute noch ständig in
den Ohren, endlich den nächsten Roman zu schreiben. Doch Markus weiß nicht so
recht, wie er starten soll.
Ein Polizist, den Markus aus den Ermittlungen von 2008 kennt, ruft ihn an und
bittet ihn um Hilfe, einen elf Jahre alten Fall zu lösen. Irgendetwas stimmt
damit nicht, obwohl ein Täter hinter Gittern sitzt. Marcus wäre eine Hilfe,
die alten Akten mit neuen Augen zu sichten. Markus lässt sich darauf ein. Im
Jahre 2010, der Gegenwart im Roman, ermittelt er in einem Fall von 1999 zusammen
mit einem Cop von damals. Sein damaliger Freund Harry Quebert bleibt
verschwunden. Bis Markus eigenartige Botschaften von dem erhält.
Aus der Handlung möchte ich nicht mehr erzählen, da jeder weitere Satz zum
Spoilern führen kann. Das liegt an der Komplexität der Verwicklungen. Wer wie
und wann mit wem verbunden ist, erschließt sich nämlich erst ganz am Ende.
»Die Affäre Alaska Sanders« ist ein Roman über menschliche Beziehungen. Er
ist ein Kriminalroman, indem klassisch ermittelt wird. Die Ermittler sind ein
Schriftsteller, ein erfahrener Polizist und eine noch relativ junge Polizistin.
Aber dieser Krimi ist trotz aller Rätsel und Spekulationsmöglichkeit wahrlich
kein Cosy Crime.
Ich würde diesen Roman auch nicht als Thriller bezeichnen, denn als Leser
erlebt man nicht die Taten des Täters mit. Sie werden einem nur aus der Sicht
anderer Leute, vorrangig dem Schriftsteller Marcus Goldmann, erzählt.
Damit sind wir beim Stil des Romans. Marcus Goldman erzählt uns seine
Erlebnisse im Jahr 2010 wie in einem Tagebuch. Die Ermittlungen und die Handlung
in 2010 stellen die aktuellen Gegenwart dar und verlaufen in chronologischer
Reihenfolge.
Das heißt aber nicht, dass Joël Dicker mit all seinen Rückblenden bis nach
1998 zurück kein Chaos und keine Verwirrung schafft. Aus der Erzählung des
Protagonisten als Erzähler wird immer wieder in die Vergangenheit gesprungen,
um das vergangene Geschehen unabhängig darzustellen. Dafür benutzt Dicker
meist den auktorialen Erzähler. Eine solche Rückblende dauert manchmal nur
wenige Absätze und kehrt urplötzlich wieder in die Gegenwart 2010 zurück.
Dieses Spiel mit den Rückblenden ist schon deshalb verwirrend, weil es sehr
verschiedene Zeiten sind, die sich aber datumsmäßig durchaus überschneiden
können, wie zum Beispiel der 30. August 1998 und der 30. August 2010.
Zusätzlich versucht Dicker die Leser, die »Harry Quebert« nicht kennen, mit
dem Fall aus 2008 bekannt zu machen, damit sie den reibungslosen Anschluss als
Folgeroman schaffen können. Als Leser muss man schon viele Seiten hinter sich
lassen, um sich in ruhigere Fahrwasser des Romans begeben zu können. Irgendwann
hat man sich auch an die Zeitsprünge gewöhnt und weiß, was zu welcher
Handlung gehört.
Dass man den Faden nicht verliert, ist auch wieder einem Stilelement des Autors.
Es gibt immer wieder Zusammenfassungen zum Stand der Ermittlungen. Das, was man
als Leser schon für sich zusammengefasst hat, wird somit nochmals bestätigt.
Man erfährt, dass man mit seinen Gedanken und Spekulationen auf der richtigen
Spur liegt. Man folgt den Ermittlungen, es ist alles plausibel. Bis irgendwann
alles neu gedacht werden muss?
Einerseits hielt ich so manche Zusammenfassung für überflüssig, sie mögen
redundant erscheinen. Andererseits kann ich verstehen, dass sie auch so manchem
Leser helfen, aus dem stets anders interpretierten Fakten, Indizien und Beweisen
den richtigen Weg zu finden.
»Die Affäre Alaska Sanders« ist ein unheimlich spannender Roman, der den
Leser einfängt, ihn bis zum Ende zu lesen. Wer den Vorgänger kennt, kann sich
auf ebenso verwickelte Geschichte und das Wiedersehen mit alten Bekannten
freuen. Das Lesen des Vorgängers ist aber für das Verständnis dieses Romans
nicht zwingend notwendig.
Fazit
»Die Affäre Alaska Sanders« ist wieder ein Roman, der die Geschichte
erzählt, wie er selbst entsteht. Damit suggeriert er eine wahre Geschichte und
macht diese Geschichte zu einem erfolgreichen Roman. Einfach nur klasse!!!
Vorgeschlagen von Detlef Knut
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veröffentlicht am 01. Juni 2023 2023-06-01 16:27:30