Nach dem Ende des Kalten Krieges schienen große Teile der Welt auf eine
scheinbar endlose Epoche der Friedfertigkeit hinzustreben. Glaubte man. Der 24.
Februar 2022 brachte diesen Traum jäh zum Platzen. Es herrscht wieder ein Krieg
in Form eines Flächenbrandes in Europa. Russlands Attacke auf die Ukraine
konfrontiert 77 Jahre nach Ende des letzten großen Krieges, den Kontinent mit
grausamen Realitäten. Entsetzt, aber dennoch entschlossen, reagierten die
westlichen Demokratien. Aber: geht das überhaupt: Krieg UND Demokratie? Der aus
der Schweiz stammende Autor des Buches, Andreas Urs Sommer, beleuchtet eben
diese Frage aus philosophischer Sicht.
Sommer geht inhaltlich die folgenden Aspekte aus der "Schrägsicht"
eines Philosophen (vgl. S. 109) an, stellt sie aus seiner Sicht dar, beleuchtet
und kommentiert sie: Krieg als Vernichtung von Möglichkeiten versus Demokratie
als Möglichkeitsvermehrung, Kriege als Mittel und Chance für autoritäre
Staatssystem und in Demokratien. Hier hat die Frageeine Bewandtnis: Kann Krieg
für Demokratien ein Mittel, eine Chance sein?
Stehen das strikt hierarchische System einer Armee und die einem Krieg
innewohnende Tatsache des Tötens demokratischen Prinzipien nicht konträr
entgegen? Die Perfektion der liberalen Demokratien und deren Fortschreiten von
"halbfertigen" Demokratien, wie sie heute existieren, in die
optimierte Variante einer partizipativ-direkten Demokratie, stellen eine
konsequente Forderung des Autoren dar. Auf der Suche nach möglichen Antworten
bleibt der Autor dabei keineswegs an der Oberfläche und beschließt sein Werk
mit einem perspektivischen Blick in eine fiktive Zukunft (2073).
Fazit
Krieg und Demokratie aus Sicht der Philosophie: eine ungewohnte,
nichtsdestoweniger spannende Betrachtungsweise, die der Leserschaft im
vorliegenden Buch angeboten wird. Der Charakteristik der Vermittlung
philosophischer Inhalte folgend, erweist sich das Buch als lebhaft, will jedoch
mit Muße gelesen und durchdacht werden. Die dargebotenen Fragestellungen über
den Zusammenhang zwischen Demokratie und Krieg sind brandaktuell und die
Sichtweisen des Autoren führen zu einem Erkenntnisgewinn und regen überdies zu
zur Reflexion an.
Ein konzentriertes, thesenstarkes Buch wurde versprochen, dieses Versprechen
wird auch eingehalten. Eine Streitschrift sollte es sein und ist es geworden.
Für mich als relativ "ungeübten" Leser philosophischer Werke war es
-im positiven Sinne- herausfordernd. Erstaunt war ich, dass Andreas Urs Sommer
vollkommene Demokratien ausschließlich in Form partizipativer, direkter
Demokratien sieht. Leser, die den Autoren aus anderen Büchern bereits kennen,
werden wohl nicht überrascht sein. Im vorliegenden Buch wird mir dieses Ideal
allerdings in all zu verklärter Sicht vermittelt.
Vorgeschlagen von Dietmar Langusch
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veröffentlicht am 05. Juni 2023 2023-06-05 21:12:39