Düster und die Vergänglichkeit im Blick
Es sind ruhig erzählte Geschichten, die Joy Williams in ihrem neuen Band mit
Kurzgeschichten vor Augen stellt. Die immer wieder das "Vergehen", und
zwar das persönlich dramatische, allgemein aber fast gewohnte Vergehen. Was
gerade in seiner fast Selbstverständlichkeit so starken Eindruck im Gefühl der
Leser und Leserinnen hinterlässt. Wenn man den "Un-Besondern"
Prediger gleich in der ersten Geschichte verfolgt, der nicht nur mit fast
grenzenloser Geduld seine Tochter ihre "Selbstfindung" erst
ermöglicht, indem er die kleine Enkelin bei sich aufnimmt. Natürlich gedacht
mit seiner geliebten Frau zusammen. Die zu Anfang der Geschichte allgemein zu
Untersuchungen im Krankenhaus sich aufzuhalten schein, bald aber klar wird, dass
eine fortschreitende Krankheit das gesamt Lebensgefüge des "Mannes auf der
Kanzel" hart verändern wird.
"Jones, der Prediger, hat sein Leben lang geliebt" - und nun? So
lapidar zuschauen, wie dieses "Leben lang" zerfasern wird? "Im
Krankenhaus harrt seine Frau ihrer Verwandlung, von einer Frau, der Frau, die er
liebt, in einen bloßen Zustand" - was schon beim Lesen für Beklemmung
sorgt und bei näherem Nachdenken die Brüchigkeit des eigenen Lebens lapidar in
den Raum der Seiten stellt.
Und mitten drin diese vollständig den niedergehenden Punkt des Lebens
treffenden Bilder von William, die das Geschehen mit dem ergehen eines
Schneehasen noch illustriert, der innerhalb eines Moments von einer Freude für
die kleine Enkelin zu einem den Schnee rotfärbenden Kadaver werden wird. Wie
auch das Bild jenes Automobils einige Geschichten später sich einprägt. Stolz
erworben und doch nichts als Rost und Brüchigkeit, die vom Familienvater gar
noch in das eigene Wohnzimmer gefahren werden wird. Dass man sich also das
Vergehen, den Rost des Lebens, das Durchbrechen der "Konstruktion"
noch selbst zentral ins Leben holt ist ein weiteres der unterschwelligen Bilder,
die Williams mit leichter Hand und ernstem Ton im Kopf von Lesern und Leserinnen
verankert.
""Ich wollte nie Teil von allem sein", sagte sie".
Aber ob es entrinnbar ist? Oder einfach zu nehmen ist, wie Gloria es am eigenen
Leib erleben muss. Noch einmal Reisen, die Freundin sehen, ohne gleich zu
verkünden, dass dies eine Abschiedsreise wohl ist.
Fazit
Sprachlich und inhaltlich wunderbare Kurzgeschichten, die wie ein Sog in sich
hineinziehen und durch die oft noch einen Hauch offenen Enden den Leser und die
Leserin mit eignen Gedanken zu Hauf zurück.
Eine rundum empfehlenswerte Lektüre, für die man nicht selten gute Nerven
benötigt.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 24. Mai 2023 2023-05-24 11:37:15