Heinz Höhne ist seit seinem Standardwerk über die SS "
Der Orden unter dem Totenkopf"
als Experte über das Dritte Reich ausgewiesen. Dort und in seinem Werk
"Gebt mir vier Jahre Zeit" hat er sich auch ausführlich mit dem
sogenannten Röhm-Putsch beschäftigt, der vor 70 Jahren den Durchbruch Hitlers
zur Alleinherrschaft brachte.
Das Verdienst dieser sehr plastischen Darstellung ist, dass der sogenannte
"Röhm-Putsch" in seiner gesamten Differenziertheit dargestellt wird.
Röhm hatte sich mit seinen Plänen, Reichswehr und SA zu einer Einheit zu
verschmelzen, die wichtigste Macht im Staat, die Reichswehr zum Feind gemacht.
Hitler, der stets - wie Höhne korrekt schreibt - vor einer frontalen
Auseinandersetzung mit der SA zurückgeschreckt war, wurde aber auch von
Himmler, Heydrich und Göring gegen die SA aufgehetzt. Entscheidend aber blieben
Drohungen der Reichswehr, über den greisen Reichspräsidenten von Hindenburg
den Ausnahmezustand verhängen zu lassen, sollten die "revolutionären
Umtriebe" der SA - so die Erinnerungen von Staatssekretär Meißner vom
Präsidialamt - nicht "eingedämmt" werden. In dieser Situation hält
Vizekanzler von Papen, das Aushängeschild der einflußlosen Konservativen im
Kabinett, in Marburg seine berühmte Rede am 17. Juni, in der er Hitlers
Willkürherrschaft vorsichtig kritisierte. Ganz offensichtlich wollten die
konservativen Kreise um Edgar Jung, dem Verfasser der Papen-Rede und Papens
Büroleiter im Vizekanzeramt, Fritz-Günther von Tschirsky, die Gunst der Stunde
nutzen, um Hitler als Nachfolger des todkranken Reichspräsidenten von
Hindenburg, der nur einen Monat nach den Ereignissen, am 2. August 1934, im
Alter von 86 Jahren starb, zu verhindern und Prinz August Wilhelm von Preußen
als Reichsverweser bis zur Wiederherstellung der Hohenzollern-Monarchie
einzusetzen.
Hitler eilte daraufhin am 21. Juni 1934 nach Neudeck zu Hindenburg. Dort trat
ihm Reichswehrminister von Blomberg mit einem Ultimatum entgegen: "Es sei
dringend notwendig, den inneren Frieden des Reiches wiederherzustellen, für
Radikalinskis sei im neuen Deutschland kein Platz mehr." Hitler verstand:
Wollte er die Reichswehr dafür gewinnen, ihn als neuen Oberbefehlshaber und
Hindenburg-Nachfolger anzuerkennen, mußte er die Rivalin der Reichswehr opfern:
die SA. Dies tat er, nachdem er offensichtlich in Essen am 28. Juni erfahren
hatte, dass Papen im Auftrag von Jung und Tschirsky für den 30. Juni 1934 eine
Audienz bei Hindenburg bekommen sollte. Offensichtlich sollte Hindenburg durch
Papen dazu bewegt werden, den Ausnahmezustand auszurufen. Um dies zu verhindern,
wurde Papen kurzzeitig in Haft genommen (nach dem Röhm-Putsch dann auf freien
Fuß gesetzt) und Röhm, etliche SA-Anhänger aber auch Gegner des Regimes, etwa
Hitlers Vorgänger als Reichskanzler, General von Schleicher, ermordet. Die
genaue Anzahl der Opfer, weit über 100, ist bis heute nicht bekannt. Nach dem
sogenannten Röhm-Putsch erließ Hitler ein Gesetz, der die Morde als
Staatsnotwehr für recht erklärte. Reichspräsident von Hindenburg schickte
Hitler ein Glückwunschtelegramm zu dem Mord. "Der 30. Juni hinterließ
einen tiefen Einschnitt in der Geschichte des Dritten Reiches. Die SA-Morde
beschleunigten Hitlers Fahrt zur Alleinherrschaft." Dieses Fazit ist
korrekt, wenn er diese Alleinherrschaft formal auch erst vier Wochen später,
nach Hindenburgs Tod am 2. August 1934 antreten konnte. Von diesem Zeitpunkt
konnte Hitler nicht mehr durch eine ihm übergeordnete Instanz, dem nicht mehr
existierenden Reichspräsidenten von Hindenburg, sondern nur noch gewaltsam
durch einen Putsch des mächtigsten Organs im Reich, der Reichswehr, abgesetzt
werden. Allerdings war der wahre Gewinner nicht die Reichswehr, sonderndie SS,
die Nachfolgeorganisation der SA unter Himmler, die sich zu einem Staat im
Staate entwickelte.