Verwickelt, spannend, hart
"Der Kleine" ist Psychotherpeut. Vor allem aber
"Frauenbeglücker" der oberen Schicht der Nazi-Elite und Förderer in
Berlin 1939, kurz vor Ausbruch des Krieges. "Der Stramme" ist Gestapo
Mitarbeiter, SS Offizier und ein "Bild von einem Arier". Ohne jeden
Skrupel im Dienst mit deutlicher Freude an klar strukturierten Verhören.
"Sie" ist Psychologin und Leiterin eines "irrenhauses" vor
der Stadt. Zudem stammt sie aus altem Adel und muss dennoch jenem merkwürdigen
Gynäkologen mit besonderer Beauftragung am Ende ihre Schützlinge übergeben.
Respektive nimmt er diese sich. Nach einem kleinen, unerfreulichen Geplänkel
mit der Ärztin, die ihren eigenen Drogen und jeder Flasche Alkohol allerdings
überaus nahe steht.
Während Simon Kraus, der kleingewachsene Psychotherapeut sich durch die Betten
der oberen Damen arbeitet und seine Sitzungen auf Schalplatten aufnimmt, damit
jede Menge indiskrete Informationen sammelt, Franz Beewen seinen Verhören in
den Tiefen der Gestapo Keller nachgeht, dabei aber nebenbei erfährt, dass sein
Vater von jenem schemenhaftem, rothaarigem Arzt ausgewählt wurde, einer neuen,
endgültigen "Heilmethode" zugeführt zu werden, beginnt Minna von
Hassel, die Psychologin mit ehemals glänzender Zukunft und nun teils
alkoholschwangerer Gegenwart, sich ebenfalls zu ereifern. Für das, was hinter
den Kulissen im Reich so vor sich geht, vordergründig aber mit den beiden
Männern zunächst, was Morde in jenem illustren Club der "Grande
Dames" der Nazi Führung angeht.
Brutale Morde, die bis auf die Eingeweide je reichen und jeden und jede der drei
Protagonisten auf besondere Art die "Treppe hinab" befördern. Franz
Beewen im Gerangel interner Konkurrenz bis hin zum "Leichensammler"
all jener Juden und, vor allem, Zigeuner, die nach willen der
"Führung" vom Angesicht der Erde ausgemerzt werden sollen. Simon
Kraus, der just von jener "Konkurrenz" Beewens den "Marsch
geblasen" bekommt und von jetzt auf gleich die (widerrechtlich angeeignete)
herrschaftliche Wohnung samt geheimen Informationen und alle Annehmlichkeiten
verliert. Minna von Hassel, die nur noch die rauchenden Überreste ihres
Instituts vorfindet. Und alle drei, die sich in der Stadtvilla derer von Hassels
verschanzen, um endlich dem Ursprung jener Morde auf den Grund zu kommen, die
weiter und weiter geschehen.
Wobei Grange eine Menge falscher Spuren legt, Schuhfetischisten in den
Mittelpunkt des Verdachtes rückt, seine unfreiwilligen Ermittler vielen
Gefahren aussetzt, den Lebensborn und die Welt der UFA dabei intensiv streift,
bis die Lösung des Falles sich in nomadischen Lagern von Zigeunern abzuzeichnen
scheint - und doch zunächst auch dort Sackgassen, Tod und Verderben allein zu
finden sein werden. Was aber alle drei verbindet, ist eine Form von wachsender,
von Grange sehr gut dargestellter, innerer "Verbissenheit" in die
Mordfälle und die viel größeren Hintergründe, die sich auftun.
Ermittlungswege zudem, auf denen er viele "interne Bereiche des dritten
Reiches streift, die perfide Hasskultur der Führung offen legt, brutalste
Szenen lapidar zu schildern verssteht und am Ende ein überaus großes Bild
zeichnet, in dem die vielen kleinen Ereignisse alle in der ein oder anderen Form
miteinander verbunden sein werden.
Fazit
Mit drei differenziert und intensiv gezeichneten, völlig gegensätzlichen
Protagonisten, die ebenfalls mehr und mehr zu einem organischen Ganzen
verwachsen werden und gemeinsam, ein wenig metaphorisch gesprochen (aber nur ein
wenig) am ende durch Ströme von Blut waten werden. Bis geklärt ist, was zu
klären war. Ein intensiver, dichter, spannender Thriller, der durchgehend
mitreißt in seiner temporeich nach vorne gehenden Handlung. Aber auch nichts
für schwache Nerven.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 17. April 2023 2023-04-17 15:12:55