An Literatur zum Krieg in der Ukraine mangelt es nicht. Die inhaltliche
Spannbreite ist breit gefächert. Was der Leserschaft im vorliegenden Buch
angeboten wird, stellt aber etwas Besonderes dar: es handelt sich um
Tagebuchaufzeichnungen einer Betroffenen. Hinzu kommt, dass Yeva Skalietska noch
ein Kind ist. Keinem Kind würde man wünschen zu erleben, was Yeva als
Erlebnisse in ihrem Tagebuch festhält.
Die Aufzeichnungen beginnen am 14. Februar 2022, dem Geburtstag der Autorin. Sie
wird an diesem Tag 12 Jahre alt und ahnt nicht, dass sich ihr Leben bereits 10
Tage später radikal verändern wird. Am 24. Februar greift die russische Armee
die Ukraine an. Yeva lebt mit ihrer Familie in Charkiw, unweit der Grenze zur
Russischen Föderation. Sie bekommen den beginnenden Krieg hautnah als Erste zu
spüren. Die Tagebuch-Aufzeichnungen erlauben einen Eindruck über das tägliche
Erleben des Kriegs und in die Gedankenwelt der jungen Autorin, wie sich
vorherige Probleme relativieren, wie sie den Begriff "Glück" für
sich neu definiert und nicht zuletzt, wie sich der Kontakt zu den Schulfreunden
und zu den weiter entfernten Familienmitgliedern gestaltet.
Die Leserschaft wird mitgenommen auf den beschwerlichen Weg, der Yeva gemeinsam
mit ihrer Großmutter Irina über Ungarn weiter nach Irland führt. Hier endet
das Tagebuch (zunächst). Vor dem Schlusswort der jungen Autorin kommen vier der
Schulfreunde Yevas zu Wort und erzählen in kurzer Form über ihre bisherigen
Erlebnisse.
Fazit
Wer den Schreibstil Kinder und Jugendlicher kennt weiß, dass er sich von der
Stilistik renommierter erwachsener AutorInnen unterscheidet. Da geht es schon
einmal unkonventionell und holprig zur Sache. Veränderungen und Anpassungen
inhaltlicher und stilistischer Natur gingen jedoch eindeutig zu Lasten der
Authentizität und würden einem solchen Buch gewissermaßen die Seele rauben.
Das geschieht hier erfreulicherweise nicht. Alles in allem ein beeindruckendes
Dokument dessen, was Krieg für "Menschen wie du und ich" anzurichten
vermag. Viele der Erlebnisse sind für den Außenstehenden erschreckend und
bedrückend. Keinem Menschen, und erst recht keinem Kind, möchte man eine
solche Lebensrealität wünschen.
Die Kinder bringen ihre Wünsche und Hoffnungen zum Ausdruck gebracht und man
darf ihnen nur wünschen, dass sie bald Wirklichkeit werden:
"Einige meiner liebsten Menschen -Papa, Oma und Opa- sind immer noch in
Charkiw. Ich vermisse sie furchtbar und liebe sie sehr. Mein größter Wunsch
ist Frieden!" (Kristina, S. 169f.)
"Wir träumen immer noch davon, eines Tages nach Hause
zurückzukehren." (Olha, S. 172)
"Ich will nach Hause nach Charkiw! Ich will in ein friedliches Charkiw, wo
ich draußen mit meinen Freunden spielen kann, ohne mich ständig vor Sirenen
und Explosionen verstecken zu müssen! Ich will zurück in die Schule und meine
Lehrer wiedersehen! Aber vor allem will ich wieder, dass meine Eltern ein echtes
Lächeln lächeln." (Kostja, S. 174)
"... und alles was ich will, ist Frieden und wieder zu Hause sein!"
(Alena, S. 178)
Dem selbst verfassten Schlusswort von Yeva (zu finden auf S. 180) ist dann
eigentlich nichts mehr hinzuzufügen: "Wir sind Kinder. Und wir haben ein
Recht auf Frieden!"
Vorgeschlagen von Dietmar Langusch
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veröffentlicht am 17. November 2022 2022-11-17 17:54:46