Fundierter Nachweis, dass Deutschland kein "milder und kleiner"
Kolonialherr war
Gerne verniedlicht man dunkle Seiten der Vergangenheit. Auch vor sich selbst.
Das passiert im persönlichen Leben ein- um das andere Mal, aber natürlich auch
im großen und größten Rahmen, wenn man negativen Folgen, schlechtem Image
oder möglichen handfesten Forderungen auszuweichen gedenkt. So, wie eine
Nachfahrin der Fa. Bahlsen vor nicht langer Zeit über die "gute
Behandlung" von Zwangsarbeitern im dritten Reich sich fast
"lobend" über die Arbeitsumstände Bahlsens im dritten Reich
äußerte (mit entsprechend massivem Gegenwind in der Öffentlichkeit nach
diesen Einlassungen), so betrifft es auch den Umgang mit der deutschen
Kolonialgeschichte in den offiziellen Lesarten an vielen Orten.
Das vorliegende Werk räumt mit solchen "Verniedlichungen" eindeutig
auf. Die vielfältig im Buch versammelten Autoren und ihre Betrachtungen kommen
dabei nicht "mit der Keule" daher, sondern eher detailliert und
filigran in ihren jeweiligen Betrachtungen wird Seite für Seite und Kapitel
für Kapitel mehr die Decke gelüftet, unter der sich eine damals klare Haltung,
massive Unterdrückung, Ausbeutung und Gewalt nachweisbar in einem viel höheren
Maße ereignet hat, als es bisher öffentlich breit bekannt war. Deutschland war
kein Möchtegern-Kolonialherr", der zu spät kam gegenüber anderen
Nationen, sondern da, wo Deutschland Kolonien "betrieb" waren die
Zustände und Umstände keinen Deut besser, als in anderen Regionen, dominiert
von anderen westlichen Nationen.
"Die Weißen waren Monster" - wie Felix Bohr durch Erinnerungen an die
deutsche Kolonialzeit in Kamerun schlicht und fundiert herausarbeitet. Oder auch
jener Blick auf ein "Experiment an der chinesischen Küste. Dort plante
Deutschland zu Zeiten eine "vorbildliche Siedlung", doch es kam
anders. "Von der Musterkolonie zum Massaker", dem geht Uwe Klußmann
in diesem Sammelwerk nach. Es gilt also nicht, was die Autoren im Vorwort als
häufige Reaktionen zum Thema durch Leserbriefe beschreiben: "Die Deutschen
seien aber doch (...) die "freundlichen Kolonialisten"
gewesen".
Diese Widerlegung liest sich eindeutig aus den verschiedenen Beiträgen im Buch
heraus und liegt ebenso auch überzeugend argumentiert und mit Fakten versehen
nun vor den Augen der Leser und Leserinnen. Im Gegenteil wird ein Schuh draus.
Dass eben die Deutschen zwar recht spät in das "Geschäft der
Kolonien" einstiegen, sich aber keinen Deut weniger gierig und gewalttätig
als die anderen Kolonialmächte verhalten hat und die kolonisierten Länder
ebenso rücksichtslos für den eigenen Vorteil ausnutzten.
Fazit
Ein sehr informatives, im Stil gut zu lesendes und im Inhalt überzeugendes
Werk.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 23. Juni 2022 2022-06-23 11:28:28