Ein Leben mit der Natur
North Carolina 1952: Kya wird mit sieben Jahren von ihrer Familie verlassen. In
einer ärmlichen Hütte, mitten in einem Marschland, steht das kleine Mädchen
vor der Aufgabe, für sich und ihren Lebensunterhalt zu sorgen. Mit
eindrucksvollen Naturbeschreibungen erzählt die Autorin in ihrem Debütroman
die Entwicklung des Kindes in einem Zeitraum von 1952 – 2009.
In aller Einsamkeit und auf sich gestellt, findet sich Kya in ihre Rolle als
Alleinversorgerin ein. Auf ihren Streifzügen durch das Marschland sammelt sie
Naturmaterialien, die bald aus ihrer Hütte ein kleines Naturkundemuseum machen.
Zum Erwerb von Lebensmittel gräbt sie Miesmuscheln aus, die sie bei Jumpin
verkauft. Jumpin und seine Frau Mabel, ein dunkelhäutiges Ehepaar, werden zu
wichtigen Bezugspersonen für Kya. Damit übt Delia Owens Kritik an der
absurden Ablehnung und strikten Trennung zwischen Weißen und Farbigen Menschen
in den USA der 50er/60er Jahre. Gerade das Ehepaar ist es, daß sich im Stillen
und im Hintergrund um die Heranwachsende liebevoll und selbstlos kümmert. Doch
dieses friedliche Zusammenleben der kleinen Gemeinschaft ist nicht von Dauer.
Zwei junge Männer aus der nächstgelegenen Ortschaft beginnen sich für das
menschenscheue Marschmädchen zu interessieren. In Kya erwachen Gefühle nach
menschlicher Nähe, körperlicher Berührung und Vertrauen. Mit großer
Intensität und Emphatie versteht die Autorin, die seelischen Empfindungen der
Protagonistin auszudrücken.Der Rückzug in ihre Hütte und ins Marschland hilft
Kya, Ordnung in ihr Gefühlschaos zu bringen. In ihrem feinfühlig,
melancholischen Schreibstil beschreibt die Schriftstellerin Kyas Bemühung, die
Denk- und Handlungsweisen der Menschen durch Vergleich mit tierischen
Verhaltensformen zu verstehen.
Profund und mit einer umfangreichen Sachkenntnis entwirft die Autorin eine
Alternative zu einem konsumorientierten Lebensstil. Es ist ergeifend zu lesen,
wie Delia Owens sowohl die Naturverbundenheit der vom gesellschaftlichen Leben
ausgeschlossenen jungen Frau, als auch ihr Bedürfnis nach aufrichtiger
Freundschaft und Zusammenhalt schildert. Das ohnehin schon mitreißende Buch
wird noch durch die Einbindung einer geheimnisvollen Kriminalgeschichte zu einem
aufregenden Leseerlebnis.
Delia Owens, eigentlich Cordelia Owens, geboren 1949, wuchs in Thomasville,
Georgia, auf. Schon als Kind endeckte sie das Schreiben für sich. Dennoch
entschied sie sich für ein Studium der Zoologie mit anschließender Promotion
in den Verhaltenswissenschaften der Tiere. Sie schrieb als Sachbuch-Co-Autorin
mehrere preisgekrönte Bücher. Nach einem mehrjährigen Forschungsaufenthalt in
Afrika lebt sie heute mit ihrer Familie auf einer Ranch in den Bergen von North
Carolina.
Fazit
"Der Gesang der Flusskrebse" ist eine Hommage an die Natur. Ein
Entwicklungsroman, geschrieben mit viel Kraft und Poesie über die tröstende
und heilende Wirkung der Natur und die menschliche Güte.
Vorgeschlagen von Heike Jaschhof
[Profil]
veröffentlicht am 12. Mai 2022 2022-05-12 20:19:14