Wer kennt nicht den Film "Die 12 Geschworenen" mit Henry Fonda in der
Hauptrolle unter der Regie von Sidney Lumet? Die Vorlage jedoch, der 1940
erschienenen Kriminalroman "Das Urteil der Zwölf" von Raymond
Postgate, ist weniger bekannt. Er gehört aber bis heute zu den Meisterwerken
des Genres.
Das Buch gliedert sich in drei Teile: "Die Geschworenen", "Der
Fall" und "Verhandlung und Urteil".
Der erste Teil beschreibt jeden Einzelnen der Geschworenen. Es handelt sich um
zwei Frauen und zehn Männer. Deren Lebensgeschichten werden in der Reihenfolge
erzählt, in der sie als Geschworene vereidigt werden. Zu entscheiden ist über
Leben oder Tod einer Frau, die angeklagt wird ihren kleinen Neffen ermordet zu
haben. Die Gefühle und Gedanken der Geschworenen werden ausführlich
geschildert.
Der zweite Teil beschreibt den Fall als eigenständige, in sich geschlossene
Darstellung. Der dritte Teil skizziert den Verlauf der Verhandlung und schließt
mit der Urteilsverkündung.
Die Gefühle jedes einzelnen Geschworenen, seine Motive für die Entscheidung,
für schuldig oder unschuldig zu plädieren, werden ausgebreitet. Es entsteht
ein Gemisdh von Vorurteilen und Ressentiments. Nicht der Angeklagte, sondern die
Gruppe der Geschworenen bilden den Mittelpunkt des Kriminalromans. Man erkennt
den Spießbürger, den religiösen Fanatiker. Eine der Geschworenen, Mrary
Atkins, hat selber als junges Mädchen einen Mord begangen, der nie aufgeklärt
wurde. Sie ist daher die Einzige, die darauf beharrt, die Angeklagte habe den
ihr zur Last gelegten Mord auch begangen. Allerdings gibt sie nach und fügt
sich dem Urteilsspruch der übrigen elf Geschworenen. Wie wird das Urteil
lauten? Und wer ist Schuld am Tode des Kindes? Der Leser erlebt hier eine
faustdicke Überraschung...
Faszinierend finde ich, dass das System der Geschworenen in dem Buch deutlich in
Frage gestellt wird. Nicht nur kommen die 12 Damen und Herren nur sehr schwer zu
einem einheitlichen Urteil. Entscheidend - und dies macht der Roman sehr
deutlich - ist nicht, ob der Täter schuldig ist, sondern ob die vorgelegten
Beweise ausreichen, die Schuld der Angeklagten zweifelsfrei zu beweisen. Wie
deutlich wird, können auch die Geschworenen einen Justizirrtum nicht
verhindern...
Fazit
Auch heute noch, rund 65 Jahre nach Erscheinen des Buches, gehört das Werk zu
den Klassikern der Kriminalliteratur und zu meinen Top Ten.
Für diejenigen, die Gerichtsromane im Stile von Agatha Christies "Zeugin
der Anklage" mögen, sicherlich ein Genuß. Unbedingt empfehlenswert.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 01. Juli 2004 2004-07-01 21:01:12