Leo hat seinen Job in einer IT-Firma aufgegeben und schlägt sich nun als
bezahlter Tänzer auf Tango-Partys in Prag durch. Eines Abends begegnet er
Julia, die von ihrem verstorbenen italienischen Ehemann ein Schloss bei Rom mit
großem Landbesitz geerbt hat. Julia war einst eine bekannte Tänzerin in
Tschechien, doch sie verließ das Land nach der gewaltsamen Niederschlagung des
"Prager Frühlings" 1968. Leos gutes Aussehen und seine Jugend machen
ihn zu einem Kandidaten für einen raffinierten Plan Julias. Da sie keine Kinder
hat, sucht sie einen Erben, um ihr Vermögen vor der italienischen
Verwandtschaft ihres verstorbenen Mannes zu schützen, die gegen Julias
Einsetzung als Haupterbin prozessiert. Leo betrachtet Julia anfangs mit
deutlichem Misstrauen, zumal diese vom Alter her seine Großmutter sein könnte.
Doch dann lässt er sich darauf ein, bei Julias Plan mitzuspielen. Er begleitet
sie nach Italien, wo sie ihm der Öffentlichkeit als ihren Erben repräsentiert.
Leo arrangiert sich gut mit seiner Rolle als Erbe. Doch dann holt ihn seine
Vergangenheit ein...
Der Roman entwickelt sich zum Ende hin immer mehr zu einem Krimi. Gibt es in der
ersten Hälfte des Buches noch einige überflüssige Längen, so wird es dann
immer spannender. Das Leben im postsozialistischen Tschechien wird von Kohout
nüchtern und illusionslos dargestellt. Die Vergangenheit spielt für die Jugend
kaum noch eine Rolle. So weiß Leo sehr wenig über den "Prager
Frühling" und noch weniger über die Besetzung seines Landes im Zweiten
Weltkrieg durch die deutsche Wehrmacht und die anschließende Judenverfolgung.
Seine Geschichtslosigkeit irritiert Julia, die den Prager Frühling aktiv
unterstützt hatte. Leo und seine Freunde sind dagegen vor allem an einem guten
Leben interessiert, ohne dabei allzu viel arbeiten zu müssen.
Den Machtwechsel 1989 erlebte Leo nur vor dem Fernseher und wunderte sich
"wieso die Kommunisten plötzlich Verbrecher waren, aber so wie vorher in
der Regierung saßen." Auf die friedliche Revolution geht Kohout kaum ein,
nur der erste Präsident nach Ende des Kommunismus, Vaclav Havel, erfährt eine
kurze positive Würdigung.
Fazit
Wer mehr über das Leben im heutigen Tschechien wissen will, erfährt in
"Tango Mortale" darüber nur wenig. Wer eine spannende Handlung sucht,
die teilweise sehr überraschende Wendungen nimmt, dem dürfte "Tango
Mortale" aber gefallen.
Vorgeschlagen von Mathias Hofen
[Profil]
veröffentlicht am 17. Februar 2022 2022-02-17 07:32:41