Unmittelbar vor dem nationalen Holocaust-Gedenktag und kurz nach dem sich der
Tag der "Wannseekonferenz" zum 80. mal jährte, erscheint im
Beck-Verlag ein Essay-Band, der sich in spezieller Weise dieser Thematik
annimmt. Der Holocaust als systematischer Völkermord wird ein weiteres Mal
Gegenstand eines Historikerstreits. In den 80er-Jahren wurde der Mord an der
jüdischen Bevölkerung in Bezug gesetzt zu den durch Bolschewisten verübten
Morden kontrovers diskutiert. Im Mai 2021 brachte eine Veröffentlichung des
australischen Historikers und Genozid-Forschers Dirk A. Moses erneut einen Stein
ins Rollen. Im Einklang mit weiteren Historikern stellt er den Holocaust in
seiner Einzigartigkeit in Frage und forderte auf, ihn künftig im Rahmen
weiterer kolonialer Genozide zu betrachten.
Die vier renommierten Autoren des vorliegenden Bandes stellen sich gegen diese
Sichtweise und begründen dies aus verschiedenen Blickwinkeln. Nach einleitenden
Worten des bekannten Philosophen und Soziologen Jürgen Habermas, melden sich
mit Saul Friedländer und Dan Diner zwei versierte israelische Historiker zu
Wort und werden durch Sybille Steinbacher und Norbert Frei (zwei Professoren,
die in Frankfurt/Main und Leipzig lehren) argumentativ unterstützt. In ihren
Essays wenden sie sich insbesondere gegen die Sichtweise, der Holocaust sei
"ein Genozid wie jeder andere" (Friedländer) und wenden sich unisono
gegen die Deutung von Moses, die besondere Hervorhebung der Shoah sei aufgrund
spezifischer Sichtweisen der deutschen Politik(er) einem staatlich verordnetem
"Katechismus" gleichzustellen und sei aufgrund dieser Tatsache
unangreifbar.
Fazit
Interessiert und verwundert zugleich habe ich mich mit dem Inhalt des
vorliegenden Buches auseinandergesetzt. Gedenken und Erinnern an eines der
größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte stößt allenthalben auf breites
Interesse in unserer demokratischen Gesellschaft. Aber ein erneut aufflammender
Historikerstreit - offen gestanden: Neuland für mich! Aber eines, das Interesse
weckt.
Man kann nun behaupten, das vorliegende Werk der Autoren ist einseitig verfasst,
stellt es doch ausschließlich die Sichtweisen renommierter Historiker dar, die
den Holocaust nach wie vor als "fundamentales Verbrechen" betrachten,
oder, um es mit den Worten Churchills zu sagen: "A crime without a
name."
Stimmt! Genau so ist es! Die Autoren beziehen Stellung, einseitig. Aber:
fundiert, wohlbegründet und durch die Offenlegung der Quellen transparent und
damit geradezu als Herausforderung: beschäftigt euch damit! Ich persönlich
kann nur jedem empfehlen, genau dies zu tun!
Vorgeschlagen von Dietmar Langusch
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veröffentlicht am 26. Januar 2022 2022-01-26 20:05:26