Unschuldig hinter Gittern - Gott sei Dank für die meisten Menschen
unvorstellbar und Albtraum zugleich. Der Autor des vorliegenden Buches, Jens
Söring, hat es erlebt und pocht bis zum heutigen Tag auf seine Unschuld. 33
Jahre verbrachte er in verschiedenen US-Gefängnissen, bevor sein 15. Antrag auf
Begnadigung erfolgreich war und er durch den Senator des US-Bundesstaates
Virginia auf Bewährung freigelassen und umgehend nach Deutschland abgeschoben
wurde. Seine Erlebnisse in Haft und der Weg in ein für ihn neues Leben
schildert er in seinem Werk.
24 gut lesbare Kapitel umfasst das Werk von Jens Söring. Gleich zu Beginn
schildert er, wie unfassbar es für ihn ist, dass er nun wirklich frei ist, das
Leben so gestalten kann, wie er es möchte und für richtig hält. Nach seiner
Rückkehr gewährte ihm eine Gastfamilie freundschaftliche Aufnahme in einer
Wohnung in Hamburg. Sein Denken, seine Empfindungen und die teilweise Rückkehr
in ein vollkommen normales Leben beschreibt er immer wieder als großes Glück.
Ein Glück, auf das er fast nicht mehr zu hoffen gewagt hatte - nach 33 Jahren
Inhaftierung und 14 gescheiterten Anträgen auf Begnadigung.
In seinen Schilderungen lernt der Leser das Justizsystem der USA, insbesondere
des Bundesstaates Virginia kennen - aber sicher nicht schätzen. Seine
Weggefährten vor, während und nach seiner Haftzeit spielen in den
Betrachtungen des Jens Söring eine zentrale Rolle. Auch über den Fall, der zu
seiner Inhaftierung in den Vereinigten Staaten führte, weiht er den Leser ein
und schildert die Abläufe aus seiner Sicht. Ein langer Weg zurück in die
Normalität und Jens Söring wird Zeit brauchen, seine Erfahrungen zu
verarbeiten.
Fazit
Zweifelsfrei ein brillant geschriebenes Buch, das der Autor vorlegt. Ein
ungewöhnliches Thema ist es zudem: 33 Jahre unschuldig hinter Gittern. So
zumindest sieht es der Autor selbst. Die Schilderungen des Doppelmordes an den
Eltern seiner früheren Freundin Elizabeth Haysom kreisen um die eigentliche
Tat. Ein mehrfaches falsches Schuldeingeständnis um seine Freundin Elizabeth zu
schützen, führen schlußendlich zur Verhaftung der Beiden, zunächst in
Großbritannien. Die Auslieferung an die Vereinigten Staaten von Amerika führen
zum Prozess und zur Verurteilung wegen Doppelmordes. Ich bin geneigt den
Schilderungen des Autoren zu folgen; zu viele Unklarheiten über die wahre
Täterschaft bleiben ungeklärt. Die Wertung seines eigenen
"Fehlverhaltens" (mehrfaches falsches Tatgeständnis), mit dem er sich
selbst als Täter abstempelt, fällt mir schwer. Einerseits macht ein
19-jähriger nun einmal Fehler - dennoch bleiben Fragezeichen, die sich im Buch
für mich nicht auflösen: warum die gemeinsame Flucht und, wenn man den
Schilderungen glauben darf, eine Reihe von urlaubsähnlichen Aufenthalten, bevor
die Falle in Großbritannien zuschnappt.
Wie auch immer: Söring büßt für seine Fehler. Und seine Schilderungen aus
den Strafanstalten der USA haben mich immer wieder sprachlos gemacht. Eines der
demokratischen Vorzeigeländer leistet sich ganz offensichtlich ein
Justizsystem, das (nach unseren Maßstäben) ganz offensichtlich
verbesserungswürdig und -bedürftig erscheint. Auf jeden Fall eine
ungewöhnliche Story, die inhaltlich berührt.
Vorgeschlagen von Dietmar Langusch
[Profil]
veröffentlicht am 01. November 2021 2021-11-01 10:15:20