Das vorliegende Buch des WELT-Journalisten Robin Alexander nimmt das Ende der
Ära Merkel zum Anlass, einen Blick tief hinter die Kulissen der Politik zu
werfen. Im vorliegenden Fall geht es in erster Linie um Machtkämpfe und
Diskussionen in und zwischen den beiden Unionsparteien. Die Positionen der
Kanzlerin und anderer Politgrößen werden dem Leser in gut aufbereiteter,
spannender Form nahe gebracht. Ein aufregendes Buch, ein echter Pageturner.
Nicht verwunderlich, dass vor allem Kolleg*innen aus der Zunft des Autoren nicht
mit Lob sparen.
Die Hauptrollen des Buches sind verteilt: die Politik der Bundeskanzlerin spielt
eine wesentliche Rolle, hinzu kommt ihr Tun (vielleicht besser: Nicht-Tun), wenn
es um ihre Nachfolge geht. Armin Laschet, Markus Söder und deren gnadenloser
Kampf um die Macht in der Union und die Frage: "Wer ist der bessere
Kanzlerkandidat?" nehmen breiten Raum ein. Wolfgang Schäuble, Annegret
Kramp-Karrenbauer, Ursula von der Leyen und zahlreiche weitere
CDU-Politiker*innen des engeren und erweiterten Machtzirkels spielen an
verschiedenen Punkten inhaltlich eine Rolle.
Natürlich dürfen da auch politische Konkurrenten wie Olaf Scholz, Annalena
Baerbock und Robert Habeck nicht fehlen. Hier und da gerät auch ein bedeutender
Politiker aus dem Ausland ins Blickfeld (z.B. Sebastian Kurz und Victor Orbán).
Die Frage(n): Wie hat die Bundeskanzlerin so lange und unter dem Strich
erfolgreich Politik gemacht?, wie drehte sich das Karussell um ihre Nachfolge
und welche Position vertritt sie hierzu? und nicht zuletzt: wie kamen die
Entscheidungen um den Kanzlerkandidaten der Union hinter den Kulissen zustande?
In der Tat: Langeweile lässt der Autor beim Leser nicht aufkommen!
Fazit
"Politthriller, Blick hinter die Kulissen der Macht, prachtvolle Abgründe
der Politik, Kabinettstück des investigativen Journalismus". Hohes und
wohlklingendes Lob vieler Berufskolleginnen und -kollegen des Autoren. Geht es
um Detailkenntnis, inhaltliche Aufbereitung und Schreibstil, kann man dem ohne
Zögern nur zustimmen. Kommentierungen von Ereignissen, Entscheidungen und
Abläufen können und sollen die Meinung des Autoren widerspiegeln. So macht es
Sinn, so soll es sein! Ein Buch, das es auf alle Fälle lohnt, zu lesen!
Eine Vielzahl von Büchern beschreibt das "Ende der Merkel-Jahre", aus
unterschiedlichen Sichtweisen und Positionen. Natürlich habe ich selbst nur
einen kleinen Teil der Veröffentlichungen gelesen. Jedoch: mit jedem Buch, mit
jedem Artikel zu diesem Thema beschleicht mich immer mehr das ungute Gefühl,
dass dem Kern der Sache: Wie geht es weiter mit unserer liberalen Demokratie?,
ein Bärendienst erwiesen wird, wenn es um die Akzeptanz der Arbeit von
Verantwortungsträgern geht.
Dürfen und können Spitzenpolitiker sich noch so geben und verhalten, wie sie
sind und wie sie es für gut erachten (Stichwort Authentizität), ohne dass
ein*e Journalist*in, auf der Suche nach einer möglichst reisserischen
Schlagzeile auf der Lauer liegt und für gewollte, oder auch ungewollte
Publicity sorgt? Gut und schön: Spitzenpolitiker müssen das abkönnen!
Wirklich? Müssen sie sich verbiegen, damit ein spontaner Satz nicht gekonnt
zerrissen wird? Ist Reden wirklich "nur" Silber und Schweigen Gold?
Ist es nicht genau das, was wir Tag für Tag von unseren Politgrößen
vorgeführt bekommen und wir jedesmal ratlos sind, warum sie häufig viel reden,
ohne etwas zu sagen? Und was ist das Ergebnis: wir Bürger verlieren zunehmend
den Respekt vor und das Vertrauen in Politik und sind enttäuscht, insbesondere
von denen, die hohe Verantwortung tragen, weil "die da oben" all zu
offensichtlich das Meiste falsch machen?
Mal ehrlich: wer hätte mit Angela Merkel ganz ernsthaft tauschen wollen? Da ist
es doch viel einfacher, an der Seitenlinie zu stehen und jedes Tun und Handeln
zu kommentieren - ich bin ja nicht verantwortlich! Ein gutes Gefühl. Damit es
nicht missverstanden wird: die Kritik an den Intrigen und Machtkämpfen hinter
den Kulissen soll hiermit keineswegs klein geredet werden. Ich glaube, das giab
es schon lange und wird es auch weiter geben. Auch sollte und muss man künftig
nicht mit allen Entscheidungen in der Politik zufrieden sein. Vom inhaltlichen
und fair ausgetragenen Streit lebt die Demokratie! Allerdings erscheint mir mehr
Sachlichkeit, weniger Hype dringend geboten!
Vorgeschlagen von Dietmar Langusch
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veröffentlicht am 26. September 2021 2021-09-26 08:14:21