Würdiger Nachlass
Auch wenn Zafon nun nicht mehr unter den Lebenden weilt, gilt weiterhin, dass
die Welt der Literatur, der Bücher, der Geheimnisse, der unbestimmten Grenze
zwischen dem Reich der Lebenden, der Toten und der Fantasie für ihn das Zentrum
auch seines literarischen Schaffens war. Bestens ausgedrückt in der Metapher
dieser Gemeinden Bibliothek tief unterhalb in der "Unterwelt"
Barcelonas".
Eine Welt, vergessene Bücher, nicht mehr geläufige Gedanken, poetische Ideen
und prosaische Texte, die Zafon in verschiedenen Werken immer wieder zum
Mittelpunkt gesetzt hat und dabei seinen Assoziationen wortmächtig nachging.
Eine Welt in sich und für sich, in welcher sich die Welt der Realität
natürlich spiegelt und bricht und individuell verzahnt, der nun, nach dem Tode
Zafins, aus seinem Nachlass noch ein "Nachschlag" gewährt wird. Nicht
als Roman, sondern als 11 einzelne Geschichten. In denen durchaus neue Impulse
auch zu finden sind, wie ebenso altbekannte Namen, wichtige Protagonisten Zafons
aber ebenso noch einmal "Ihren Auftritt" haben.
"Jahrelang zogen der Fotograf und seine Tochter mit ihrem Zirkus aus
schönem Schein und trügerischen Freuden durch die Städte und Dörfer des
Landes".
Und ebenso wie diese beiden streift auch Zafins weiterhin ruhelos durch die
Bilder der Welt, lässt einen "Teufel" sein Unwesen noch einmal
treiben (Andreas Corelli) oder eben die Tochter des Fotografen mit ihrem
besonderen Talent, alte Gesichter zeichnend wieder auferstehen zu lassen auch
durch nicht wenige Betten gleiten. Bei Männern, "Geschäftsmännern mit
viel Geld und wenig Leben". Zeilen, kleine Beobachtungen, in denen Zafon
wie gewohnt prägnant Persönlichkeiten und Damit Tendenzen der
gesellschaftlichen Befindlichkeit auf den Punkt zu bringen vermag.
Bis es wohl jedem so gehen wird, dass er "Frieden findet zwischen Büchern
und Worten". An einem Ort, an dem die Ruhe nicht gestört wird und das
Andenken unendlich weiterleben darf. Durchaus mit Pathos, aber am Ende den Leser
ergreifend steht hierfür symbolisch die Beerdigungsszene des Miguel de
Cervantes, "Licht unter Dichtern und Bettler unter Menschen".
Auch wenn Längen im Raum stehen, nicht jede Geschichte gleichermaßen fesselt
oder emotional ergreift, Zafon kennt seine Literatur, ist in Gedanken weit
gereist und hat auch an entlegenen Orten seine Erfahrungen mit den geschrieben
Worten gemacht, so dass fast Seite für Seite vielfach Bücher und Gedanken mit
einfließen, die einen tatsächlich gesamten Kosmos ergeben.
Geschichten, die auch die Grenze zur dezenten Horrorliteratur streifen (der Tod
des Anwalts Escrutx, "blind vor Tränen und Reue", dessen Adlatus wohl
heute noch hier und da mit seiner rumpelnden Kutsche durch Barcelona fahren)
oder auch, als Anleihe an die moderne Thrillerlitertur, der Auftragskiller mit
ganz besonderem Auftrag (der wiederum in der Thriller-Szene ein durchaus
bekanntes Sujet darstellt).
Fazit
Es ist eine Lektüre mit Wehmut, ein nochmaliges Eintauchen in die besondere
Sprache und den Umgang mit literarischen Werken und Traditionen, auf die der
Leser in diesem letzten Werk Zafons stößt. So dass, trotz unterschiedlicher
emotionaler Dichte der einzelnen Geschichten, eine schöne Lektüre. Zum
"Friedhof der vergessenen Bücher) verbleibt (in der auch der Ursprung
dieses Friedhofs geschildert wird).
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 09. Juli 2021 2021-07-09 13:46:58