Dieses Buch von Mechthild Borrmann ist ein Geschichtenband mit vielen kleinen
Geschichten über die Menschen und ihr Leben. Die Amerikaner sprechen hierbei
von einem Buch mit short stories, welches keinem Schriftsteller im Portfolio
fehlt. Deutsche Autorinnen, wie hier Mechthild Borrmann, haben oft auch solche
Bücher im Programm. Leider kommen diese bei den Lesern nicht an. Dabei sind sie
hervorragende, kurzweilige Lektüre mit Unterhaltungswert.
Da gibt es zum Beispiel die Geschichte mit der Mutter, die sich so für ihre
beiden Kinder engagiert. Sie hat alles gegeben, um dem Sohn ein Fahrrad zu
ermöglichen, hat dieses Fahrrad nächtelang aufbereitet und geputzt, das ist
nur so strahlt. Doch der Junge hat kein Dankeswort und beklagt sich, dass es
kein neues Fahrrad ist. Irgendwann danach steht sie am Fenster und schaut hinaus
in den Park einer Klinik.
Oder etwa die folgende Geschichte. Es ist die große Freude über das eigene
Haus mit Garten, welches den Blick auf die Rapsfelder freigibt. Doch der Mann
holt jedes Jahr zu Weihnachten ein Nadelbaum in einem Topf, um ihn nach
Weihnachten in den Garten zu pflanzen. So schlägt er zwei Fliegen mit einer
Klappe. Noch nach Jahrzehnten bittet ihn die Frau, doch endlich mal keinen Baum
einzupflanzen. Sie würden ja mittlerweile im Wald leben und könnten nicht mehr
aus dem Fenster schauen. Doch der Mann hält es mittlerweile für eine schöne
Tradition, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Doch schließlich kann sie
endlich konkrete Pläne zur Rodung der Bäume im Garten und zum Blick über die
Rapsfelder machen. Gleichzeitig greift sie zum Telefon und ruft den
Notdienst.
Neben diesen beiden Geschichten, die ich versucht habe, zusammenzufassen, gibt
es viele weitere Lebensgeschichten, die in einer sanften Sprache verpackt ins
Herz gehen. Ob es die Geschichte einer jüdischen Familie ist oder die einer
jungen Ukrainin, die hofft, ihr Glück als Au-Pair-Mädchen in Westeuropa machen
zu können. Es sind nachdenklich machende Geschichten über die Liebe, das
Leben, die Trauer und den Hass. Verbrechen werden von Mechthild Borrmann nicht
ausgeklammert. In so mancher Geschichte wird der melancholische Unterton, der
einen beim Lesen berührt, zu einem Glücksmoment umgewandelt. Das geschieht
meisterhaft und manchmal auch humorvoll.
Die Geschichten sind zwar oft nur sehr kurz, trotzdem beschreiben sie manchmal
ein ganzes Leben eines Menschen. Der Stil von Mechthild Borrmann erinnert mich
den des Hamburger Schriftsteller Siegfried Lenz. Er ist ruhig, unspektakulär,
manchmal humorvoll und immer realistisch. Ich hatte das Gefühl, dass nahezu
jede Geschichte etwas aus meinem eigenen Leben enthält. Irgendetwas schlug
immer in meiner Erinnerung an. Man sollte sich beim Lesen Zeit lassen, was wegen
der Abgeschlossenheit der Geschichten problemlos machbar ist. Nicht sofort mit
der nächsten Geschichte das Thema wechseln, sondern gerne nachklingen lassen.
Fazit
In diesem Sinne ist »Glück hat einen langsamen Takt« sehr gut für
Zwischendurch geeignet. Die Themenvielfalt bietet ein Spektrum für eine große
Leserschaft. Deshalb kann es auch gut verschenkt werden, denn es ist für jeden
etwas dabei. Genießen und über das Leben nachdenken wäre meine Empfehlung
für dieses wunderschöne Buch.
Vorgeschlagen von Detlef Knut
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veröffentlicht am 08. April 2021 2021-04-08 10:01:51