Kera. Elodie. Leonard. Max. Vier Schüler und Schülerinnen eines normalen 11.
Jahrgangs einer Berliner Schule erzählen vom Umwelt-Wettbewerb des Senats, für
den sie mit einer Tracking-App ihren Energieverbrauch kontrollierten. Der Stand
des persönlichen Klimakontos sollte für das Projekt sofort in den Sozialen
Medien geteilt werden. Am Ende der Klimaschutzaktion muss das Gemeinschaftskonto
ein Guthaben aufweisen. Wer sein persönliches Konto mal wieder beim Streamen
überzieht, entlarvt nicht nur eigenes Süchteln, sondern verringert zugleich
die Gewinn-Chancen des Schulprojekts. Frau Wenger, die Politiklehrerin, hat
taktisch geschickt gewählt, wen sie als Werbeträger für die Aktion
anspricht. Als einzige der Gruppe einflussreicher Schüler scheint bisher Kera
aufrichtig am Thema interessiert zu sein. Elodie ist als populäre
Kosmetik-Influencerin hervorgetreten, Max hat nur seine Bewerbungsmappe für das
Grafik-Design-Studium im Kopf und Leonard träumt von einer Karriere im Silicon
Valley. Die Lehrerin drängt besonders Max zur Teilnahme, um seinen
Schulabschluss noch durch aktive Mitarbeit zu retten. Doch Max zögert am
längsten, sich für Fair Play zu registrieren.
Von einem fächerübergreifenden Projekt ist so wenig die Rede wie von
Zugriffsrechten und Datensicherheit, als Leonard auf einem Stick die fertige App
liefert. Fortan wird er der Herr der App sein. Ein Probelauf wäre unnötig bei
einer selbsterklärenden Anwendung, betont er selbstbewusst. Schon bald hat sich
an der Schule die Hälfte der Schüler für die App registriert. Die gesamte
Schule gerät ins Energiesparfieber. Am Pommes-Stand wird nach dem eigenen
Teller der Kunden gefragt. Sogar die Abschlussfahrt steht zur Disposition, weil
sie zu viel Energie verbrauchen würde. Wer zögert, ein Fair Player zu werden,
kann schnell als Foul Player in die Isolation geraten. Als Gruppendruck
zunehmend spürbar wird, fürchtet Elodie, dass der Konflikt aus der
virtuellen in die reale Welt übergreifen wird.
Elodie geht als eine der Gallionsfiguren der Klima-Aktion das größte
persönliche Risiko ein. Auch sie braucht das Projekt, um versetzt zu werden
und sie kann nur schwer einschätzen, wie ihre Follower auf ihre Teilnahme
reagieren werden. Längst im streng durchgetakteten Leben der Influencer-Szene
angekommen, kann Elodie sich einen Rückgang ihrer Werbeeinnahmen nicht leisten.
Als Fair Play offenbar selbst zum Influencer wird und man sich allmählich
fragt, ob an der Aktion wirklich nur Schüler beteiligt sind, läuft das Projekt
aus dem Ruder. Die Handlung gewinnt an Tempo, als weitere Personen ins Spiel und
die Karten schließlich auf den Tisch kommen. Wie sich die vier Protagonisten
und ihre Beziehungen entwickeln und welche Motive die Jugendlichen antreiben,
liest sich absolut fesselnd. Selbst als erwachsene Leserin fühlte ich mich zum
Spekulieren angeregt und musste meine Einschätzung der vier Protagonisten immer
wieder ändern.
Fazit
Kerstin Gulden bricht das hochaktuelle Thema Social Scoring - hier mit dem Ziel
des Klimaschutzes - geschickt auf die Schülerrealität ihrer 17-jährigen
Figuren herunter. Dass die Beziehungsebene plotbedingt zu lange im Mittelpunkt
steht und der Umgang mit persönlichen Daten offenbar niemanden interessiert,
fand ich schon von Beginn des Romans an unbefriedigend. Selbst wenn die
populären Vier die juristische und die technische Seite völlig ignorieren
würden, müsste es an der Schule doch wenigstens eine kritische Stimme gegeben
haben …
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 09. März 2021 2021-03-09 07:19:24