Hans Leyendecker, Redakteur der "Süddeutschen Zeitung", legt hier
eine Zusammenfassung der Lügen der Regierung Bush vor, um zu begründen, warum
- wie es im Untertitel heißt - Amerika einen Neuanfang braucht.
Besonders überzeugend arbeitete Leyendecker die Stichwortgeber der aggressiven
Außenpolitik, den Einfluß der sogenannten Think-Tanks, heraus. Dies sind von
der Industrie finanzierte Denkfabriken, die die Grundzüge dieser Politik
geplant und skizziert haben, sich jedoch - wie Leyendecker nachweist - dabei
nicht immer an die Wahrheit halten, sondern die Interessen ihrer Auftraggeber
auch gegen die Erkenntnisse der wissenschaftlichen Forschung propagieren. Fazit:
"Die konservativen Think Tanks...sind zu einer unheimlichen Macht geworden,
und das gilt nicht nur für das Thema Irak" (S. 37). Herkunft, Meinungen
und Ansichten konservativer Republikaner und der - überwiegend von den
früheren Demokraten zu den Republikanern übergewechselten - sogenannten
Neo-Konservativen wird exakt dargestellt und insbesondere die Rolle der
publizistischen Vorreiter, dem Herausgeber des Weekly Standard, William Kristol
und des bekannten Publizisten Robert Kagan herausgearbeitet (dessen Buch
"
Macht und
Ohnmacht" ein wichtiges Werk zum Verständnis der transatlantischen
Beziehungen und der Sicht der Neokonservativen in den USA darstellt). Haupt- und
Höhepunkt es Buches sind die Portraits der wichtigsten amerikanischen
Bush-Berater, angefangen von Vizepräsident Cheney, Sicherheitsberaterin Rice,
Vize-Verteidigungsmister Wolfowitz, dem auch in Europa bekannten Bush-Berater
Richard Perle und den Ministern für Verteidigung, Rumsfeld und Aüßeres, Colin
Powel.
Das Kapitel "Die Lügenfabrik" untersucht die Legitimation der
Kriegsgründe für den Irak-Krieg. Kritisch wird die Rede Außenminister
Powellls vor der UNO am 5. Februar 2003 als Desinformation der
Weltöffentlichkeit entlarvt. Auch die weiteren Lügen der Regierung Bush im
Irak-Krieg, etwa die inzwischen widerlegte Behlauptung, der Irak habe versucht,
sich in Afrika Uran zu beschaffen, wird beleuchtet. Die Zustände im
US-Gefängnis Guantanmo werden ebenso scharf kritisiert. So fühlt sich der
Autor angesichts der Sprachregelung der US-Regierung zu diesem Themenkomplex -
und das Buch wurde vor der Bekanntgabe der Foltervorwürfe in US-kontrollierten
Gefängnissen publiziert - an das "Neusprech" in George Orwells Roman
"
1984" erinnert.
"Man hört Gerechtigkeit und sieht unkontrollierte Militärjustiz, man
hört Verhör und muss Folter befürchten. Der Stärkere legt die Bedeutung der
Wörter fest." (S. 179). Allerdings ist Leyendecker auch davon überzeugt:
"Das Pendel schwingt allmählich zurück". Er hofft im "Kampf um
Amerika" auf einen Sieg des demokratischen Präsidentschaftskandidaten John
Kerry, der gerne unterschätzt werde (S. 201). Kerry sei liberal, aber kein
Linker. Gerade dies sei seine Chance, am 2. November 2004 zum Nachfolger Bushs
gewählt zu werden.
In seinem brillianten Essay "Lügen haben kurze Beine - Aus einem
Geschichtsbuch des Jahres 2010" schreibt der Autor der Geschichte der USA
fort - in zwei Varianten: zum einen erörtert der die Folgen einer Wiederwahl
Bushs, in der letzteren Version bilanziert er "Die ersten Jahre der Ära
Kerry". Eine Literaturliste beschließt den Band.
Während Teil 1 meines Erachtens sehr gut geraten ist und überzeugend die
ideologischen Wurzeln der derzeitigen amerikanischen Innen- und Außenpolitik
darlegt, wirk Teil 2, "Die Lügenfabrik", auf mich insgesamt zu
dürftig. Die Fokussierung auf die Lügen des Irak-Krieges verdeckt die
gesellschaftliche Veränderung, die die "Bush-Bilanz" (Elmar
Theveßen) dem Land beschert hat. Dieser Teil ist zu kurz und oberflächlich
geraten.
Wer hier genauer informiert werden möchte, sollte zu Elmar Theveßens "
Bush-Bilanz", dem meines
Erachtens besten Buch zu diesem Thema oder dem ähnlich gelagerten Werk
"Die Lügen des George W. Bush" von David Corn greifen. Letzteres ist
auch in der Literaturliste Leyendeckers angegeben.