Ein ungewöhnlich starkes Hochwasser spült im Jahr 1923 eine tote junge Frau an
die Pforte der Kapelle von St. Mary’s of the Isles in Cork, fein gekleidet,
als wäre sie auf dem Weg zu einem Ball gewesen. Seargant Patrick Cashman von
der Civic Guard trifft bei seinen Ermittlungen in diesem Todesfall auf die
Äbtissin des Klosters, dessen Schule er früher als Kind besucht hat. Mutter
Oberin Aquinas muss inzwischen die 70 überschritten haben und zeigt sich als
verschwiegene, zuverlässige Zeugin, die in der Stadt bestens vernetzt zu sein
scheint. Ihre Begegnung in der Klosterschule hatte für beide Figuren die
Weichen gestellt: für Dorothea Murphy war der fleißige Patrick der letzte
Anstoß, als Lehrerin in Irland zu bleiben und Patrick, so "methodisch und
vernünftig wie immer", wäre ohne den Besuch der Klosterschule heute
sicher kein angesehener Kriminalpolizist. Mitten in einem erbittert
ausgetragenen Bürgerkrieg fragt sich Mutter Aquinas zu Recht, ob der Todesfall
zur Abschreckung einer der Bürgerkriegsparteien inszeniert sein könnte.
Verschwiegenheit über ihre Zusammenarbeit mit Patrick scheint ratsam zu sein.
Als die junge Frau als Tochter eines stadtbekannten Teehändlers identifiziert
wird, steht Patrick als Inspektoren-Anwärter der neu gegründeten Civic Guards
unter besonderem Erfolgsdruck. Gerade wenn "altes Geld" im Spiel ist,
kann er sich ein Scheitern nicht leisten. Die Spur des Geldes zu verfolgen,
schadet in Ermittlungen selten; ohne Mutter Aquinas Lebenserfahrung wäre der
Fall jedoch nicht gelöst worden. Als Stadt am Meer in einer von Flüssen
durchzogenen Marschlandschaft spielt die Stadt Cork für das Setting des Krimis
eine entscheidende Rolle, da einige der Schauplätze in charakteristischer Weise
mitten in die Marsch gebaut wurden.
Fazit
Ein gemächliches Erzähltempo, die breite Beschreibung der beteiligten Figuren
und das enge Verhältnis zwischen Ermittler und seiner Mentorin machen den
Reihen-Auftakt um Mutter Aquinas zu einem Wohlfühlkrimi, der anregt sich
genauer mit den Lebensverhältnissen im Irland der 20er Jahre zu befassen. Die
ausführliche Charakterisierung der geistig regen Äbisstin als
Laienermittlerin weckt meine Neugier auf die Fortsetzung der Reihe. Möge Mutter
Aquinas noch lange bei guter Gesundheit sein und möge ihren Kirchenoberen in
Rom noch lange verborgen bleiben, wie viele Freiheiten sie sich in der
klösterlichen Routine herausnimmt.
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 19. Januar 2021 2021-01-19 13:42:16