Winnetou III gehört bis heute zu den beeindruckendsten Büchern, die ich
gelesen habe. Er bildet den Abschluss der bekannten Trilogie und Winnetou
dürfte bis heute in Deutschland am meisten dazu beigetragen haben, das
Schicksal der Indianer zur Kenntnis zu nehmen und Sympathie für dieses Volk,
welches in vielen Jahrhunderten verfolgt und vernichtet wurde, zu wecken.
Entstanden ist dieser dritte Winnetou-Band ähnlich wie der zweite. May griff
auf ältere Erzählungen zurück, die er in Zeitschriften veröffentlicht hatte
und fügte ein Schlußkapitel hinzu. Der erste Teil, die Abenteuer um Sans-Ear,
gehen auf die Erzählung Deadly Dust zurück, der zweite Teil, Winnetous Tod,
auf die Erzählung Ave Maria. Verglichen mit Winnetou II betreffen die
Veränderungen nur Kleinigkeiten. Das ursprüngliche Nachwort wurde durch ein
anderes ersetzt, um die Kontinuität zum symbolischen Spätwerk zu wahren und
dem gesamten Zyklus "einen Guß" zu geben.
Die ersten Kapitel schildern die Jagd nach einer Verbrecherbande, die auch in
den Liano Estacado führt. Natürlich gelingt es Old Shatterhand, dem
omnipotenten Helden, nicht nur sich und seinen Begleiter, den Westman Sans-Ear,
vor dem Verschmachten im Liano zu retten, sondern auch, die Verbrecherbande
Dingfest zu machen. Hauptschurken in diesem Teil der Erzählung sind Fred und
Patrik Morgan, Vater und Sohn, die schwere Verbrechen an Sans-Ear und dem
Juweilier Bernhard Marshal verübt haben. Winnetou selber ist in diesem Teil
noch nicht der "Edelindianer" der späteren Romane. So erschießt er
einen Verbrecher hinterrücks und nimmt auch einem seiner Feinde einen Skalp.
Allerdings zeigen diese Episoden auch einen natürlichen, realistischen Winnetou
und nicht so sehr die abgehobene, ja fast heilige Messias-ähnliche
Indianergestalt, zu der er durch den späten May gemacht wird.
Im zweiten Teil der Ereignisse, die im Jahre 1874 spielen, verfolgt Old
Shatterhand mit dem Westmann Fred Walker, einem Detektiv, eine Verbrecherbande,
die einen Eisenbahnzug überfallen hat. Doch die Ereignisse enden tragisch. Zwar
werden die Verbrecher zunächst überlistet und ein weiterer Überfall der
Verbrecher misslingt. Doch diese überfallen eine Siedlung ausgewanderter
Deutscher, Helldorf-Settlement und verschleppen deren Bewohner. Zwar gelingt es
Old Shatterhand und seinen Begleitern, zu denen auch Winnetou gestoßen ist, die
Bewohner zu befreien. Dabei kommt Winnetou allerdings ums Leben.
Die weiteren Ereignisse schließen unmittelbar an die Geschehnisse in Winnetou I
an. Old Shatterhand reitet zum Grabmahl Intschu Tschunas, um Winnetous Testament
zu suchen und dessen letzten Willen zu erfüllen. Dabei stößt er überraschend
auf Santer und die Kiowas miti ihrem immer noch rachsüchtigen Häuptling
Tangua. Old Shatterhand gerät in die Gefangenschaft Tanguas, Santer raubt
zunächst das Testament des Apatschen. Doch Santer bringt das Testament kein
Glück. Er missversteht Formulierungen dieses Testaments. Dieses soll zu
Goldvorräten führen, die für die Siedler in Helldorf-Settlement bestimmt
sind. Winnetou hat zum Schutz des Goldes eine Sicherung eingebaut, die Old
Shatterhand nicht entgangen wäre, aber jeden Uneingeweihten den Tod bringt.
Anstatt das vermutete Gold zu bergen, löst Santer eine Explosion aus und
stürzt mit Felsbrocken in die Tiefe.
Im Vergleich zu Winnetou II hat Karl May bei der Zusammenstellung der
Zeitschriftentexte eine glücklichere Hand gehabt, wie Helmut Schmiedt,
Karl-May-Biograph, zu recht im "Karl-May-Handbuch" bemerkt hat.
Insbesondere die Todesszene Winnetous dürfte allgemein bekannt sein und die
plastische Zeichnung der Charaktere ist ebenso kennzeichnend für diese Trilogie
wie die Spannung, die Karl May wie kaum ein zweiter aufzubauen versteht.
Natürlich gibt es aus heutiger Sicht durchaus kritisch zu sehende
Heldenbezüge; die Omnipotenz von Winnetou und Shatterhand wirkt bisweilen sehr
penetrant, ist jedoch meines Erachtens durchaus autobiographisch zu verstehen.
Winnetou war Karl-Mays Wunschbruder, Old-Shatterhand wohl sein
"Über"-Ich, sein Wunsch- und Vorbild.
Auch die Landschaftsbeschreibungen sind eindrucksvoll. Am meisten berührt mich
immer wieder die Sympathie und das Verständnis für die Indianer als
untergehende Rasse. Hier steht May deutlich in Tradition etwa zu Gabriel Ferrys
"Waldläufer", den er ja selber bearbeitet hat. Gerade die erste
Erzählung "Deadly Dust" und das hier anklingende Motiv, dass Gier
nach Gold und Besitz ins Verderben stürzt, ist ohne den "Waldläufer"
nicht zu erklären. Es ist wohl diese Mischung aus Spannung, Abenteuer aber auch
philosophischen Reflexionen, die Karl May heute noch lesenswert machen.
Fazit
Ein beeindruckendes Buch - auch heute noch.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
[Profil]
veröffentlicht am 17. Juni 2004 2004-06-17 20:22:30