Der erfolgreiche Schriftsteller Thomas Degalais kehrt anlässlich des
fünfzigsten Jubiläums der Lycée internationale Saint-Exupéry Schule in seine
Heimatstadt Antibes zurück. Doch nicht das große Jubiläum hat ihn angezogen,
vielmehr ist es der Abriss der Sporthalle. Denn Thomas und seine Freunde Maxime
und Fanny hatten ein altes Geheimnis, dass jetzt aufzufliegen droht. Vor rund
fünfundzwanzig Jahren haben sie dort etwas verschwinden lassen, was im
Zusammenhang mit Thomas unerfüllter Liebe zu seiner Mitschülerin Vinca steht
und was auch heute noch nicht ans Licht kommen darf.
Der französische Schriftsteller Guillaume Musso ist bekannt für seine
komplexen und vielschichtigen Romane, mit denen er seine Leser immer wieder
überrascht und in denen er stets unterschiedliche Genres miteinander
verknüpft. Liebesgeschichten, Krimis, oft auch vermeintlich Übersinnliches
lässt er in seine Werke einfließen. Dies gilt ebenso für "Die junge Frau
und die Nacht" und trotzdem ist der Roman gänzlich anders, als seine
bisherigen Bücher.
Gestreckt über den Zeitraum von 1992 bis 2017 erzählt Guillaume Musso eine
Geschichte, die anfänglich an einen klassischen Noir-Krimi erinnert und mit
zunehmender Dauer eine Familiengeschichte wird. Noch dazu eine, in der er ein
gewisses Maß an eigener Biografie hat einfließen lassen, denn zum ersten Mal
hat er seine Heimatstadt Antibes zum Schauplatz eines Romans gemacht. Was die
Hauptfigur angeht, so wandelt sich der Ich-Erzähler Thomas von einem eher
unscheinbaren Schüler zu einem Kämpfer, der lange Zeit mit einer tiefen Schuld
lebt. Spätestens hier gibt es, wie Guillaume Musso auch im Nachwort schreibt,
keine Parallelen zu seiner eigenen Geschichte.
Möchte man den Roman positiv bewerten, kann man ohne Übertreibung sagen, dass
"Die junge Frau und die Nacht" Mussos bisher literarisch
anspruchsvollster Roman ist. Will man das Werk eher negativ beurteilen, kommt
man nicht umhin zu sagen, dass dem Roman die sonst so charakteristische
Musso-Spannung fehlt und er es dem Leser nicht ganz so leicht macht, in seine
Story einzutauchen. Die Wahrheit liegt sicherlich genau dazwischen, denn die
Geschichte hat durchaus ihre starken Momente und kann, wie es für Guillaume
Musso typisch ist, zum Ende hin überraschen. Trotzdem habe ich den Zugang zur
Story nicht so gefunden, wie ich es sonst gewohnt bin.
Fazit
Wer den eher anspruchsvollen Guillaume Musso kennenlernen will, macht mit
"Die junge Frau und die Nacht" sicher nicht viel verkehrt. Der Roman
bietet eine niveauvolle Mischung aus Noir-Krimi und Familiengeschichte, die sich
sprachlich auf hohem Niveau bewegt. Ein wirklich interessantes, aber nicht
Mussos bestes Buch.
Vorgeschlagen von Michael Krause
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veröffentlicht am 23. November 2020 2020-11-23 14:47:12