Kevin Major hat mit »Caribou« einige reale Vorfälle aus dem Zweiten Weltkrieg
aufgegriffen und daraus einen Roman gemacht. Es geht um die U-Boot-Schlachten im
Nordatlantik vor der kanadischen Küste.
Der Roman handelt den von zwei Protagonisten der damaligen Zeit. Einer von ihnen
ist John Gilbert, den der Leser als Steward auf der Fähre Caribou kennenlernt.
1942 befördert die Caribou auch Soldaten. Der zweite Protagonist ist der
deutsche U-Boot Kommandant Ulrich Gräf.
Die Schicksale beider Personen sind untrennbar miteinander verbunden, obwohl sie
sich nie begegnet waren. Ihre Leben werden in den beiden Strängen konsequent
getrennt und dabei ausführlich geschildert. Es gibt keinen Guten und keinen
Bösen im Charakter dieser Protagonisten. Dennoch ist es gesellschaftlich
historisch klar, das Gräf sowas wie ein Bösewicht ist. Kevin Major geht aber
tiefer und versucht die Denkweise und das Verhalten des U-Boot-Kommandanten zu
erklären.
Die beiden Stränge werden stilistisch durch eine andere Erzählperspektive
getrennt. Während der Deutsche alles aus seiner eigenen Perspektive schildert,
erlebt der Leser das Geschehen um den Kanadier aus der Sicht einer dritten
Person.
Der Autor hat hervorragende Recherchearbeit geleistet und bringt überaus viele
Informationen ein, die in Dokumenten und Protokollen existieren. Er versucht ein
Bild der damaligen Situation zu geben, welches sich nicht einfach in Schwarz und
Weiß einordnen lässt. Er zeigt sehrviele Grautöne auf. Doch bei all der
Information, die transportiert wird, hat mir eine konkrete Handlung zunächst
gefehlt. Besonders im ersten Teil wirkt das Buch wie ein Sachbuch. Spannend und
interessant ist es auf jeden Fall, aber es sind kaum Dialoge zwischen all den
Figuren enthalten. Diese wirken hier lediglich wie schmückendes Beiwerk.
Zwischenmenschliche Beziehungen und Konflikte werden nur angerissen. Obwohl das
Verhältnis des Kandiers John zum Texaner Hank viel mehr Potential hätte.
Im zweiten Teil ändert sich dies. Die Leser erfahren viel mehr über die
Herkunft der beiden Männer, sie lernen deren Familien kennen. Und auch die Wege
zu einer Partnerschaft werden entwickelt, trotz des Krieges. In dieser zweiten
Hälfte kommen wesentlich mehr Dialoge zum Einsatz, es menschelt mehr. Als Leser
beginnt man, mit dem Protagonisten zu empfinden.
Sehr spannende Elemente sind im gesamten Roman enthalten. Zum Beispiel, wenn es
um den Abschuss von Torpedos geht, der nicht nur nüchtern berichtet wird,
sondern dramaturgisch fesselnd ist.
Da das Geschehen auf realen Ereignissen basiert, haben mir die Fotos im Anhang
sehr gut gefallen. Sowohl von den Schiffen als auch den Personen kann man einen
guten Eindruck gewinnen. Und wer sich noch nie mit dem U-Boot-Krieg im Zweiten
Weltkrieg beschäftigt hat, bekommt mit diesem Buch einen sehr guten Einstieg,
der über das Niveau eines Sachbuchs liegt.
Fazit
Deshalb empfehle ich diesen Roman, der keineswegs nullachtfünfzehn ist, sondern
einen besonderen Blick in das Leben zweier Menschen gewährt.
Vorgeschlagen von Detlef Knut
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veröffentlicht am 16. Oktober 2020 2020-10-16 11:23:23