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Manfred Prisching: Bluff-Menschen

Bluff-Menschen

von Manfred Prisching
Verlag: Beltz [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Psychologie & Psychotherapie
ISBN-13 978-3-7799-6062-1

Preis: 29,95 Euro bei Amazon.de [Stand: 21. November 2024]
Image ist nicht alles

Das sich jeder Mensch immer schon auch ein stückweit, mal sehr, mal weniger, "inszeniert" und allgemein quasi "immer schon" die Regel herrscht, seine "Schokoladenseiten" nach vorne in den Blick der anderen zu rücken und die Schwächen eher möglichst erfolgreich zu kaschieren, das ist eher eine Binsenweisheit denn eine überraschende Erkenntnis. Ein Prozess, der sich einerseits in den letzten Jahren hochgradig verschärft und befördert hat durch die sozialen Medien, das Gestalten seiner selbst im anonymen Raum, in dem man digital "alles sein kann". Und ist durch eine ganze Heerschar von Image-Beratern und Kommunikationstrainern für Personen in der Öffentlichkeit aller Bereiche, Wirtschaft, Politik, Sport, Kunst, Influencer etc. noch deutlich mehr professionalisiert worden.

Auf der andern Seite aber ermöglichen allgegenwärtige Kameras und Berichterstattungen in Echtzeit auch die "Entlarvung" durch vielleicht nur kleinere Momente von "Rissen in der Fassade", die dennoch umgehend "viral" gehen. Bis dahin, dass es nicht selten schwierig für den Einzelnen wird, zwischen eigenem Ich und eigener, gestalteter Rolle für sich selbst zu unterscheiden. Denn keine Rolle ist ja so glaubwürdig wie jene, die man selber mit Inbrunst für wahr hält.

"…sondern es nahm auch das Misstrauen gegen die eigene Peron und deren Schicksal den Charakter tiefer Selbstgewissheit an". (Robert Musil).

So dass man vielleicht tatsächlich, wie in der Literatur Musils, anders handelt als man denkt und anders denkt, als man handelt. "Ein hohes Maß an Bluff ist Stabilitätsbedingung der Spätmoderne". So fasst es Prisching in Worte. Und warum das so ist, wo das herkommt, wann das passend und (viel öfter), wann das für einen selbst schädlich ist, diesen Fragen geht er in seinem neuen Werk nach.

Solange dies nun in jener Form geschieht, dass man selbst weiß, dass die Regeln, die zum Bluff führen samt der Möglichkeit, die eigenen "Bluffs" als "Bluff" auch zu erkennen, mag dies alles noch im Rahmen sich bewegen, Kompliziert wird es dann, wenn das eigene Image zu sehr geglaubt wird und das eigene Verhalten unter Beobachtung zu sehr mit dem selbstgewählten und transportierten Image kollidiert. Und dann zu beobachten ist, wie eine Tendenz immer stärker wird, die destruktiv wirkt: Dass bei solcher Spannung zwischen Bild und Realität die Realität jene ist, die geleugnet wird und nicht die eigenen Risse in der Rolle sich selbst zugestanden werden. Ein "Solitär" sein zu müssen, dies zumindest zu denken, bringt am Ende stetig die Grundlagen einer Konsens-Gesellschaft unter Druck. Was aktuell gut zu beobachten ist und an Geschwindigkeit exponentiell zunimmt.

Und so geht Pirsching in dieser hoch interessanten und jederzeit fundierten Lektüre all den "Bluffs" der Spätmoderne nach. Von tatsächlichen Masken (auch operativ hergestellt), von Moden und Stil, von Selbstbild als "Aussteiger" oder "verdienter Luxus-Mensch", von Körperkult und dem Versuch, jugendliche Schönheit bis ins hohe Alter hinein "zu bluffen" bis hin zu den aktuellen, durchaus allgemein gefährlichen und gefährdenten Auswüchen von "Fake-Behauptungen" wider besseren Wissens, weil es in die eigene Strategie passt bist zur Differenzierung zwischen "Vernunft-Glaube" (Aufklärung) und "Emotionsglauben" (die Grundlage des Verlustes des Wissens um den eigenen "Bluff") betrachtet Pirsching alle wesentlichen Bereiche des modernen "öffentlichen" Lebens und legt dem Leser damit Vieles vor Augen, dass die eigene Inszenierung und die eigenen "Bluffs" in das eigene Blickfeld rücken.
Fazit
Eine nachdenkenswerte Lektüre, die in verständlicher Form aufzeigen, dass man ohne "Selbststilisierung" sich schnell aus dem sozialen Gefüge "herausschießen" kann und wie es trotzdem gelingen kann, sich selbst nicht in den eigenen Inszenierungen zu verlieren.
9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne9 Sterne

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Vorgeschlagen von Lesefreund [Profil]
veröffentlicht am 16. August 2020

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