In Kostopchin, einem Dorf in den Karpaten zwischen Polen und Russland lebt
Gutsherr Pawel Sergejewitsch mit seinen Kündern und seinem Knecht Michail
Wassiljewitsch. Das Dorf ist in Aufruhr, als ein Wolf sich mehrere Opfer holt.
Pawel begibt sich, entgegen allen Warnungen, auf die Jagd und ist überzeugt,
das Tier zur Strecke zu bringen. Allerdings findet er in einem Unterholz nicht
den Wolf, sondern nur eine junge Frau, die sich in letzter Sekunde in Sicherheit
gebracht hat. Zum Unmut von Michail gewährt Pawel der Frau Unterschlupf in
seinem Haus und ist ihr von der ersten Sekunde an verfallen.
Für die 107. Folge der Gruselgeschichten wurde diesmal "Die weiße Wölfin
von Kostopchin" adaptiert. Eine Geschichte aus der Feder von Gilbert
Campbell, der zuvor als Übersetzer von Viktor Hugo gearbeitet hat. Die
Kurzgeschichte wurde erstmals 1889 veröffentlicht und im Gegensatz zum Original
hat Scriptautor Marc Gruppe, einige Änderungen an den im Original etwas
hölzernen Plot vorgenommen. Änderungen, dahingehend, dass die Namen der
Akteure dem Schauplatz angepasst wurde und vor allem, die den Charakter von
Pawel Sergejewitsch betreffen. Ist dieser damals ein verbitterter, egoistischer
Mann, der seine Dienerschaft knechtet, ist er jetzt eher ein besorgter
Familienvater. Allerdings ist diese Änderung gut und trägt zum Gelingen der
Story bei.
Der Plot, den Marc Gruppe jetzt hier verfasst hat, macht richtig viel Spaß. Es
ist ihm hervorragend gelungen, eine klassische und im Prinzip bekannte
Werwolfsgeschichte so packend zu erzählen, dass man als Hörer gebannt ist. Die
Geschichte entwickelt sich gut und kann durch eine sich steigernde Handlung und
einem spektakulärem Ende überzeugen.
Auch auf akustischer Seite bleiben keine Wünsche offen. Die Geräuschkulisse
sorgt an den richtigen Stellen für die passende Atmosphäre. Mit insgesamt
fünf Sprechern ist der Cast überschaubar, aber durchweg hervorragend besetzt.
Hans Bayer hat dabei die größte Rolle, da er sowohl als Michail
Wassiljewitsch, wie auch als Erzähler fungiert. Pascal Breuer ist als Pawel
Sergejewitsch zu hören und eine überragende Anja Kruse agiert als mysteriöse
Rafina. Ein besonders Lob gebührt den beiden Kindersprechern. Clara Fischer
spricht die Rolle von Sergejs Tochter Olga sehr akzentuiert und empfindet sich
jetzt schon für weitere Rollen. Lando Auhage gelingt es, aus seinem relativ
kleinen Part als Alexej viel herauszuholen, da dieser Rolle gerade am Ende eine
besondere Bedeutung zukommt.
Fazit
Aus einer im Original eher durchschnittlichen Geschichte haben die kreativen
Köpfe der Serie "Gruselkabinett" das bestmögliche Ergebnis
herausgeholt. Diese Adaption von "Der weiße Wolf von Kostopchin" kann
ohne Übertreibung als kleine Perle innerhalb der Serie bezeichnet werden. Ein
tolles Hörspiel mit einer hervorragenden akustischen Umsetzung, die nichts
anders als die Höchstwertung verdient haben.
Vorgeschlagen von Michael Krause
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veröffentlicht am 05. Juli 2020 2020-07-05 12:44:54