Walter Fellmann hat eine hervorragende Biographie über Graf Heinrich von Brühl
verfasst, die 1989 erstmalig erschienen ist. Fellmann gilt als einer der besten
Kenner der sächsischen Geschichte (unter anderem hat er eine ebenfalls
lesenswerte Biographie über den letzten sächsischen König Friedrich August
III. publiziert). Fellmann hält Brühl für einen fähigen Diplomaten, der
allerdings dem kriegerischen Preußenkönig Friedrich II. nicht gewachsen
gewesen sei. Brühl sei zwar verschwendungssüchtig gewesen, jedoch kein
Intrigant, wie es etwa Jozef I. Kraszewski in seinem 1874 erschienenen Roman
"
Brühl"
behauptet hat. Keinen Zweifel läßt Fellmann allerdings daran, dass Brühl mit
seinen Absichten letztlich gescheitert ist - und dies ist der Grund für sein
negatives Bild in der Geschichte. Außerdem habe die frühere
Geschichtsschreibung viel zu sehr die preußische (negative) Sicht des
sächsischen Gegenspielers, den Friedrich II. hasste, übernommen.
Ich habe die Biographie im Anschluß an den Roman Kraszewskis gelesen und muß
sagen, dass es sich um eine spannende und sehr informative Biographie handelt.
Nicht nur wird der langjährige Premierminister Friedrich Augusts II. (Brühl
starb im selben Jahr wie sein Gönner, 1763, nach Ende des Siebenjährigen
Krieges) differenziert bewertet und von den üblichen Klischées befreit. Es
gelingt Fellmann auch, den siebenjährigen Krieg aus der Sicht des annektierten
Sachsens plastisch darzustellen. Die Biographie bildet daher ein (heilsames)
Gegengewicht gegenüber kritiklosen Bewunderern des Preußenkönigs, der -
zumindest 1740 bei seinem Einfall in Schlesien und 1756 bei der Annexion
Sachsens - als Aggressor auftrat (was seriöse Friedrich-Biographen auch
konstatieren). Interessant ist, dass der aus der früheren DDR, aus Sachsen
stammende Historiker auch sozialhistorische Aspekte in die biographische Sicht
einbringt, so dass der Leser nebenbei sehr viel über den Alltag und das Leben
in Sachsen zur Zeit Brühls erfährt. Außerdem befasst sich ein Kapitel mit dem
sächsischen Rokoko, der zu Brühls Zeit den klassischen Barock ablöste. Somit
erhält der Leser auch einen Einblick in Bauten und Sammlungen unter August dem
Starken und seinem Nachfolger Friedrich Augusts II., einem Kunstliebhaber. Auch
Brühls Verdienste um die Kunstsammlungen, der darin auch die Möglichkeit sah,
Sachsens Geltung in Europa zu steigern, wird ausführlich eingegangen. Auch
unter dem Aspekt der Kunstgeschichte ist diese Biographie daher mit großem
Gewinn zu lesen.
Fazit
Eine meines Erachtens rundum gelungene Biographie. Lesenswert.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 07. Juni 2004 2004-06-07 10:14:59