Das Autorenduo hat sich mit dem gerade vorgestellten Kriminalroman eines Themas
aus der düstersten jüngeren Geschichte bemächtigt: Euthanasie-Verbrechen des
Dritten Reiches.
Es ist 1948. Berlin ist gerade gespaltet in den Ostsektor und die drei
Westsektoren. Im westlichen Teil wurde eine eigene Polizei unter ihrem Chef
Stumm aufgebaut (StuPo). Es etablieren sich getrennte Stadtverwaltungen.
Hans-Joachim Stein ist Sohn eines Emigranten und hatte den Krieg in England
verbracht. Von dort nach dem Krieg zurückgekehrt arbeitete er zunächst bei der
Polizei im Ostteil der Stadt, wo auch sein Vater, ein glühender Verfechter des
Kommunismus, im Polizeidienst tätig ist. Doch Stein kommt sowohl mit seinem
Vater als auch mit den Methoden der Volkspolizei (VoPo) nicht klar und geht in
den Westen. Dort bezeichnen ihn seine Kollegen als "Duke" und
behandeln ihn zunächst wie einen arroganten Briten. Er muss sich seinen Respekt
erkämpfen. Das geschieht einerseits über den aktuellen Mordfall an einem
Bordellbesitzer, andererseits an einem Fall von nach dem Krieg ums Leben
gekommenen Frauen, deren Akte eigentlich geschlossen werden sollte. So will es
jedenfalls sein unmittelbarer Vorgesetzter Krüger oder jemand, der diesen in
der Hand hat.
Die Autoren haben es hervorragend geschafft, das Milieu in Berlin in diesen
Nachkriegsjahren darzustellen. Der Kampf der Polizeibehörden, der Kampf Ost
gegen West und umgekehrt, die Schieberszene, die Bordellszene und dazwischen
immer wieder die Verweise auf die Tötung von behinderten Menschen oder solchen
Menschen, die mittels psychiatrischer Gutachten zu Behinderten gemacht
wurden.
Das Figurenensemble wurde konfliktreich und sympathisch gestaltet. Konflikte
zwischen einzelnen werden offensichtlich im Verlaufe der Handlung gelöst oder
aber auch für Fortsetzungen offen gehalten. Die Beziehungen zum anderen
Geschlecht, vergangene und zukünftige, werden aufgezeigt und angelegt. Es ist
erkennbar, dass jeder so unmittelbar nach dem Krieg eine Last mit sich
herumträgt, die er nicht so schnell loswerden kann wie er möchte. So mancher
Figur wünscht man das Beste. Ob es klappt, zeigt der Roman.
Die Gräueltaten der Nazis werden unverblümt angesprochen, jedoch nicht
blutrünstig dargestellt wie in anderen Roman. Sie bilden den Hintergrund und
kommen zur Sprache. Die Auflösung bahnt sich tatsächlich erst zum Ende hin an.
Es ist daher keine Knallerüberraschung, sondern eher sehr plausibel und
folgerichtig, es ist nachvollziehbar und hinterlässt auch Betroffenheit beim
Leser. Denn die Aufarbeitung der Naziverbrechen lief in den ersten Jahren nach
dem Krieg tatsächlich nicht so wie sie hätte sein müssen.
Fazit
Interessante Figuren, ein geschichtliches Thema, spannende Ermittlungen –
alles zusammengepackt in beste Unterhaltung. Mehr davon, bitte!
Vorgeschlagen von Detlef Knut
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veröffentlicht am 20. März 2020 2020-03-20 10:40:39