Ein Stoff aus der Geschichte, hervorragend fiktionalisiert wurde. Wer kennt ihn
nicht, den berühmtesten Serienmörder Deutschlands: Fritz Haarmann aus
Hannover. Bereits als Kind kannte man das Lied "Warte, warte noch ein
Weilchen …". Das Leben dieses Täters wurde schon in vielfältiger Weise
dokumentiert, nicht zuletzt in dem Film "Der Totmacher" mit Götz
George.
Dirk Kurbjuweit hat sich von anderer Seite an die Geschichte dieses Täters
herangemacht. Sein Protagonist ist nicht der Täter selbst, sondern dessen
Jäger, der Polizist Lahnstein. Der Autor zeichnet ein umfassendes Bild dieses
Polizisten und gibt Einblicke in dessen Denken und Verhalten und in die damalige
Zeit mit den gesellschaftlichen und politischen Bezügen. Lahnstein war im Krieg
Pilot, geriet in Gefangenschaft, hat Frau und Sohn verloren. Nach der
Gefangenschaft kehrte er in seine Heimatstadt Bochum ins Ruhrgebiet zurück. Er
wurde Polizist wie sein Vater. Als die Polizei in Hannover den bislang
verschwundenen Jungs nicht auf die Spur kamen, suchen sie jemanden von außen,
der die Ermittlungen vorantreiben könnte. Lahnstein aus Bochum war bereit
dafür. Doch auch während seiner Zeit in Niedersachsen verschwinden noch mal so
viele Jungs wie zuvor. Lahnstein verzweifelt, kämpft an beiden Fronten: gegen
den Druck seiner Vorgesetzten und Kollegen genauso wie gegen die Verbrecher.
Zwar kristallisiert sich der Kaufmann Fritz Haarmann (er handelt mit Kleidung
und Fleisch!) bei ihm als Hauptverdächtiger, allein es fehlen die Beweise.
Spannend und unterhaltsam werden die geschichtlichen Zusammenhänge dieser Zeit
aufgedeckt. Die gesellschaftlichen Zwänge verbieten die Ermittlungen in manche
Richtung. Die detailliert ausgearbeitete Biografie des Chefermittlers Lahnstein
schafft Möglichkeiten, um zusätzliche Konflikte und Spannung in die Handlung
einzubauen. Auch wenn einige Entscheidungen der Figur heute nicht so schnell
nachvollziehbar sind, werden sie im Kontext der damaligen Zeit plausibel.
Sehr gut gefallen hat mir auch die Struktur des Romans. Jedes Kapitel beginnt
und endet mit einer Geschichte bzw. einer Handlung aus der Sicht des Täters
bzw. seiner Schwester oder anderer nahestehenden Personen. Diese Teile sind
durch Kursivierung klar abgegrenzt von der Ermittlung. In diesen Szenen erlebt
man die brutale Welt des Serienmörders hautnah, man erfährt von der
Zerstückelung der Leichen genauso wie von den Vermutungen von Angehörigen.
Diese Passagen begleiten die Ermittlungen wie eine Dokumentation
Fazit
»Haarmann« ist ein fiktiver Roman um die Ermittlungen des bekanntesten
Serienmörders in Deutschland. Die Fiktion aber basiert auf Protokollen zu den
Ermittlungen von Ploizei und Justiz und auf Briefen. Teile davon wurden auch
wörtlich übernommen, aber es ist so hervorragend zu einem ganzen Bild
zusammengesetzt, dass es Freude macht, auf diese Weise nochmal
Geschichtsunterricht zu erhalten. Alles, was ich bruchstückhaft über Haarmann
wusste hat sich nun zu einem Ganzen auf spannende Weise verfestigt. Höchste
Empfehlung meinerseits.
Vorgeschlagen von Detlef Knut
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veröffentlicht am 01. März 2020 2020-03-01 16:23:33