Toleranz - einfach schwer betitelt der Bundespräsident a.D. Joachim Gauck sein
neues Buch und trifft damit den Zahn der Zeit. Eine Zeit, in der durch Wort und
Tat Intoleranz im alltäglichen Leben zunehmend spürbar werden. Auch insofern
das richtige Buch zur richtigen Zeit.
Zu Beginn erklärt Joachim Gauck, was ihn bewog, ein solches Buch zu schreiben.
Danach betrachtet er den Begriff Toleranz aus unterschiedlichen Perspektiven und
versucht, ihn begreiflich und begreifbar zu machen, bevor er 12 Thesen bzw.
Aspekte darlegt, was er unter Toleranz versteht. Wem bislang noch nicht
klargeworden ist, welch hohe Bedeutung der beschriebene Begriff besaß und
aktuell (zunehmend) wieder besitzt, dem wird spätestens in den folgenden
Kapiteln ausreichend Material geboten, diese Einsicht zu erlangen.
Die Bedeutung der Toleranz und das Einbringen ebensolcher Verhaltensweisen und
Ansichten wird in den Kontext des Umgangs mit Radikalen, Extremisten,
Intoleranten, dem Umgang mit Political Correctness und dem Begriff der
"Identität" gestellt und ebenso vielfältig wie interessant und
aufschlussreich beschrieben. Der Autor wirbt für eine "kämpferische
Toleranz", die ihre Grenzen dort findet, wo sie auf Intoleranz stößt.
Hier wendet sich das Blatt: Intoleranz kann nicht mit Toleranz begegnet werden,
ohne Toleranz aufs Spiel zu setzen.
Fazit
Joachim Gauck gelingt in seinem aktuellen Buch ein überzeugendes Statement für
gelebte Toleranz. Gekonnt und facettenreich schildert er, welche Vorzüge es
für eine Gesellschaft hat, wenn sie nicht nur vorgibt, tolerant zusein, sondern
Toleranz lebt. Dies dient freilich keinem Selbstzweck, sondern drückt
Überzeugung aus. Haltung(en) überzeugend zu vertreten und zu leben wiederum
bedeutet für den ehemaligen Bundespräsidenten, offensiv und kämpferisch
dafür einzutreten. Er spricht für eine offene Gesellschaft, ohne die ihr
innewohnenden Werte zu vergessen - ganz im Gegenteil. Die Bürger müssen bereit
sein sich zu den Werten des Grundgesetzes zu bekennen und allen, die sich
anderen Idealen verschreiben, entgegenzutreten. Toleranz endet dort, wo
Intoleranz beginnt, ansonsten erledigt sich Toleranz als Ideal von selbst.
Schön ist, dass es dem Autoren gelingt, seine Ansichten eindrucksvoll mit
Beispielen aus dem täglichen Leben zu verdeutlichen. Ohne Besserwisserei. Er
fordert den Diskurs und ermuntert hierdurch den Leser zu eigenen Positionen.
Wichtig ist ihm: Grundrechte der Menschen zu sichern bedeutet, sich im Klaren zu
werden über den Weg einer toleranten Gesellschaft ohne Selbstaufgabe. Kein
einfacher, aber ein lohnenswerter Weg!
Der Eindruck dieses durchweg ausgezeichnet zu lesenden und lesenswertem Buch
wird eindrucksvoll unterstrichen durch die Lesungen von Joachim Gauck. In den
Schilderungen, die das Buch inhaltlich unterstreichen, merkt man, mit welcher
Empathie und Hingabe er hinter seinen Ausführungen steht. Wer die Gelegenheit
hat, sollte eine der anstehenden Lesungen auf jeden Fall besuchen!
Vorgeschlagen von Dietmar Langusch
[Profil]
veröffentlicht am 04. November 2019 2019-11-04 07:34:03