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Georg Heil, Volkmar Kabisch, Maik Messing: Leonora

Leonora

von Georg Heil, Volkmar Kabisch, Maik Messing
Verlag: Econ Ullstein List Verlag [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Sachbuch
ISBN-13 978-3-430-20227-5

Preis: 7,99 Euro bei Amazon.de [Stand: 20. November 2024]
Leonora war 15 Jahre alt, als sie über Nacht, zur Überraschung aller, die sie kannten, nach Syrien verschwand und sich dem IS anschloss. Für alle ein Schock - niemand hatte es geahnt oder vorhergesehen. Die Radikalisierung geschah in einer Art Doppelleben. Der Vater Leonoras, Maik Messing, präsentiert die Geschichte von Leonora gemeinsam mit den beiden Journalisten Volkmar Kabisch und Georg Heil. Beide haben aufgrund ihrer Tätigkeit fundierte Kenntnisse und auch eine Vielzahl von Kontakten in die arabische Welt.

Gemeinsam schildern sie, wie eine völlig unauffällige junge Deutsche, die im Vorland des Harz in einem kleinen Dorf behütet aufwächst. Berührungspunkte zum Islam bestehen - nach aussen erkennbar - lediglich durch eine Schulfreundin; sie ist zwar bekennende Muslima, lebt aber nicht streng religiös. Auch die nächste Moschee ist weit von Breitenbach, dem kleinen Dorf, in dem Leonora aufwächst, entfernt. Somit geschah etwas Unerwartetes und Unfassbares, als die Nachricht per WhatsApp an ihren Vater gelangte, dass sie in Syrien angekommen ist und einen IS-Kämpfer deutscher Herkunft als Drittfrau geheiratet hat. Nahid, so der Name des Deutschen Martin Lemke, in einer der angesehenen Position des IS-Geheimdienstes befindlich, kann seinen Ehefrauen ein verhältnismäßig gutes Leben bieten. Dennoch: nach kurzer Zeit gibt Leonora zu erkennen, dass sie es in Syrien nicht mehr aushält.

So wird ein Fluchtversuch gestartet, der allerdings fehlschlägt. Danach herrscht langes Schweigen und die Unsicherheit, was passiert ist. Als eine Todesnachricht an Leonoras Vater gelangt, bricht die Welt zusammen. Später jedoch stellt sich diese Todesnachricht als falsch heraus und scheinbar wird ein weiterer Fluchtversuch arrangiert, von Leonora selbst inszeniert. Dieser scheinbare Versuch endet in einer Erpressung der Familie in Deutschland, auf die sie sich, trotz aller Gewissensbisse, nicht einlässt. Gut so, wie sich herausstellt, denn Leonora lebt weiter im Kalifat. Der IS verliert indes immer weiter an Einfluss und Macht, bis lediglich der Teil eines kleinen Dorfes vom einstmaligen Kalifat verblieb. Zwischenzeitlich hat sich die familiäre Situation Leonoras verändert. Die Beziehung zum anfangs ungeliebten Ehemann Nahid vertieft sich und Leonora bringt zwei kleine Mädchen zur Welt.

Leonora und ihrem Mann gelingt die Flucht in ein Flüchtlingslager. Sie sucht nach wie vor Kontakt zu ihrem Vater und zur getrennt lebenden Mutter. Aber sie ist inzwischen eine Andere geworden. So feiert die Familie im Harz-Vorland gemeinsam mit ihren Freunden die Befreiung der Tochter. Aber die Ungewissheit bleibt nach wie vor - was wird aus Leonora?
Fazit
Den Autoren gelingt es ein Buch zu verfassen, das seinen Leser mit eindrucksvollen Schilderungen in seinen Bann zu ziehen vermag. Die wechselvolle Geschichte von Leonora Messing und der Kampf beider Eltern (obgleich getrennt lebend) um die Rückkehr ihrer Tochter fesselt den Leser. Zugleich gelingt es eine Vielzahl kritischer Fragen aufzuwerfen. Es dreht sich um die verdeckte Radikalisierung Jugendlicher und die Frage nach dem "warum?". Eine berechtigte Frage, die letztendlich dennoch offenbleibt (und bleiben muss), dennoch den interessierten Leser immer wieder beschäftigen dürfte: was läuft falsch in unserer Gesellschaft, was bringt freiheitsliebende junge Menschen dazu, einen Schritt zu tun, der sie in eine strikte, radikal religiöse Struktur katapultiert?

Zugleich erfährt der Leser Vieles über die Strukturen des IS und die komplizierten Machtverhältnisse der arabischen Welt im Mittleren Osten. Offen bleibt, wie es schlußendlich weitergeht: was geschieht mit Leonora nach ihrer Flucht in die vermeintliche Sicherheit aus den Fängen des IS? Wie werden sich die Behörden einer IS-Rückkehrerin gegenüber verhalten, wie die Nachbarn in der kleinen Gemeinde?

Alles in allem ein interessantes, spannendes und gut lesendes Buch. Die Erzählung der bisherigen Lebensgeschichte einer jungen Frau und ihrer Familie. Persönlich und mitfühlend verfasst, ohne den großen wissenschaftlichen Diskurs im Hintergrund. Das würde diesem Buch auch den Reiz nehmen. So muss der an Hintergründen interessierte Leser zu weiterer Literatur greifen; die gibt es aber in großer Auswahl.
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Vorgeschlagen von Dietmar Langusch [Profil]
veröffentlicht am 06. Oktober 2019

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