Mehr philosophische Betrachtung denn Thriller
Klar ist Colt kein kleiner Junge mehr - "Fast achtzehn und noch nie
geküsst worden" - Aber ein besonderer junger Mann, das kann man nicht
anders sagen. Denn während andere Heranwachsende eher passiv Spiele online
genießen, ist Colt der, der eines der beliebtesten dieser Spiele
"codet", programmiert, sich ständig hineinversetzt und die
fantasievolle Wüstenlandschaft absolut realistisch zu gestalten denkt. Wofür
er so gut wie ununterbrochen mit einem "VR-Helm" bekleidet ist. Zum
Leidwesen seiner Mutter Naomi. Die als Forscherin an der Verbreiterung der
neurologischen Fähigkeiten zwar arbeitet, aber mit ihrem Sohn gerne auch mal
analog verkehren würde. Wo doch schon ihre Ehe dahingeschwunden ist.
Was nicht heißt, dass Naomi ihren Mann nicht doch noch sehr im Leben hat, denn
als ihr scheinbar ein Durchbruch gelingt, tritt dieser als einer der
federführenden Männer der Nachfolgeorganisation der NSA umgehend in Aktion.
Und als er dann noch erfährt, dass sich Colt zur eigenen
"Erweiterung" selber "behandelt" hat im Labor der Mutter,
ist kein Halten mehr. Hart, strikt und unter dem Radar der eigenen Behörde
versucht der Mann, neue Wege militärischen Fortschritts mit seinem Sohn als
"Instrument" zu generieren.
Denn, wie George Bernhard Shaw bereits sagte: "Der vernünftige Mensch
passt sich der Welt an, der unvernünftige besteht auf dem Versuch, die Welt
sich anzupassen. Deshalb hängt aller Fortschritt von unvernünftigen Menschen
ab". Und Colt ist nicht vernünftig. Zumindest nicht in den Augen seiner
Mutter, bald auch seines Vaters. Wohl aber in den Augen jener jungen
"Spielerin", die eifrig eigene Ideen in die Spiele-Welt mit einbringt
und plötzlich auch im realen Leben vor Colts Tür stehen wird.
Wie nun sich der junge Mann entfaltet, wie eine zarte Bindung entsteht, wohin
das führen wird und wie Colt Gefahren gegenüber sich selbst und gegenüber
seiner Mutter trotzt, davon erzählt Gogh durchaus flüssig und wie aus einem
Guss. Nur dass der Begriff "Thriller" hier eher nicht passt. Denn
Action, Gefahren, Spannung, das sind nicht die Hauptzutaten des Werkes und eher
nur am Rande wahrzunehmen.
Fazit
Viele Zitate säumen der Weg der Lektüre, nicht wenige Überlegungen zur
weiteren "biologischen-digitalen Evolution" des Menschen, gepaart mit
auschweifenden und ausführlichen Betrachtungen der "Innenwelt" der
Figuren und zudem noch versehen mit hier und da auftauchenden Kommentaren des
Autors als Metaebene bieten am Ende ein umfassendes psychologisches Bild der
Protagonisten und eine rote Linie im "Erwachsen-Werden" des jungen
Mannes, weniger aber einen Thriller mit entsprechendem "krachenden
Finale". Was hier und da einfach auch zu ausschweifend und denk- und
dialoglastig daherkommt.
Insgesamt dennoch ein flüssig zu lesender Roman über das Erwachsen werden in
einer Welt, in der analoge Realität und digitale Formung nur schwer auseinander
zu halten sind und sich viele Fragen in der Gegenwart durchaus so stellen, wie
sie im Roman vorliegen.
Vorgeschlagen von Lesefreund
[Profil]
veröffentlicht am 11. September 2019 2019-09-11 12:06:58