Adela L. Macedo erhält mitten in der Nacht einen sonderbaren Anruf vom Handy
ihres Sohnes Jonas Berthold. Der junge Mann wird kurz darauf tot aus dem Rhein
gezogen, sein Tod von der Polizei überhastet zum Selbstmord erklärt. Freunde
und Angehörige weisen entschieden den Gedanken zurück, dass jemand wie Jonas
selbstmordgefährdet gewesen sein könnte. Und wie hätte in dem Fall sein
trockenes Portemonnaie in die Hände eines Polizisten gelangen können? Bei der
Polizei stoßen Jonas Eltern auf eine Mauer der Untätigkeit. Offenbar wird
immer erst ermittelt, wenn den Beamten eine Anzeige wegen Untätigkeit droht.
Jonas starb im Umkreis einer legendären Diskothek, die als rechtsfreie
Parallelwelt unter der Regie einer Rockerbande galt. Immer wieder gab es dort
Gewalttaten, die Ermittlungen verliefen immer wieder im Sande. Jonas
ungeklärter Tod ist 5 Jahre her, als Thomas Mohr, ehemaliger LKA-Zielfahnder,
in eine Ein-Personen-Abteilung für Cold Cases versetzt wird. Mohr findet schon
beim ersten Blick die Fall-Akte schlampig geführt. Zeugen wurden nicht befragt,
Beweismittel nicht berücksichtigt und zu allem Überfluss scheinen zwei
Staatsanwaltschaften Jonas ungeklärten Tod zwischen sich hin und her geschoben
zu haben, um ja nicht ermitteln zu müssen.
Mohr war monatelang beurlaubt, nachdem sein letzter Einsatz im Desaster endete.
Seine neue Abteilung ist vermutlich als Abschuss-Posten angelegt. Er glaubt
nicht daran, dass Abteilungen der Kripo Interesse daran haben, als Versager da
zustehen, indem sie Akten ungelöster Fälle an ihn weitergeben. Schafft Mohr es
als Einzelkämpfer, das nach der Silvesternacht 2015 angeschlagene
Sicherheitsgefühl des Wählervolks zu verbessern, hat er Glück gehabt, schafft
er es nicht, könnte "Cold Cases" sang- und klanglos wieder aufgelöst
werden.
Als Leser hat man relativ früh einen Verdacht, in was Jonas in der Discothek
hineingeraten ist. Mohr muss die Vorfälle allerdings beweisen können. Für den
Ermittler läuft nun der Countdown, ober er im Rennen gegen die Unwilligkeit
zuständiger Behörden die Wiederaufnahme des Verfahrens Jonas Berthold
erreichen kann. Banden- und Clankriminalität, Frauenhandel in Verbindung mit
Zwangsprostitution sind Mohr nicht fremd. So sprechen die Bewegungsprofile auf
den bewusst ignorierten Videoaufzeichnungen für ihn Bände, kriminelle
Strukturen innerhalb der Polizei stehen seinen Ermittlungen jedoch im Weg. Als
Kenner des Milieus und bestens vernetzt könnte Mohr dennoch am längeren Hebel
sitzen. Am Ende liegt zwar auf dem Tisch, was im Umfeld der Diskothek passiert
ist, aber die berechtigte Frage der Angehörigen, ob Deutschland noch ein
Rechtsstaat ist, bleibt unbeantwortet.
Fazit
Wolfgang Kaes nutzt als erfahrener Journalist in seinem mittlerweile 8.
Kriminalroman das Medium, um Zusammenhänge darzustellen, die er in anderer Form
nicht veröffentlichen könnte. Sein Kriminalroman um einen vertuschten
Todesfall spielt - hochaktuell - im Jahr 2018. Das komplexe Szenario mit
zahlreichen Figuren wirkt so aktuell (man denke an den Vermisstenfall Sophia),
dass ich mich fragte, ob der Plot überhaupt Fiktion sein kann. Exzellente
Recherche, eine überzeugende Ermittlerfigur und ein hochaktuelles Thema
verdienen hier die volle Punktzahl.
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 22. August 2019 2019-08-22 08:33:34