Die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland waren zu keiner Zeit einfach,
obwohl die Geschichte beider Nationen eine Vielzahl intensiver Berührungspunkte
aufweist, in Gutem wie in Schlechtem. Man darf also ohne zu übertreiben von
"besonderen Beziehungen" sprechen. Seit einigen Jahren ist das
Deutsch-Russische Verhältnis unterkühlt - aus ganz unterschiedlichen Gründen.
Dies bietet ausreichend Stoff zu kontroversen Diskussionen über Gründe,
Hintergründe und Lösungsansätze.
Der Autor des vorliegenden Buches, Horst Teltschik, ist ein erfahrener
Außenpolitiker, ein ausgewiesener Kenner auch der Deutsch-Russischen
Beziehungen über viele Jahrzehnte hinweg. Er leistet mit seinem Werk einen
weiteren Beitrag zu diesem brandaktuellen Thema. Inhaltlich beschreibt er
zunächst die bipolare Teilung Europas und der Welt unter den Supermächten USA
und Sowjetunion. Mehrfach schrammt die Menschheit an einer Katastrophe, dem
Dritten Weltkrieg, haarscharf vorbei. Zu keiner Zeit wurde direkt mit
Waffengewalt gegeneinander gekämpft. Der Krieg fand auf politisch-ideologischem
Parkett statt: der Kalte Krieg. Deutschland, geteilt in zwei Staaten, bot den
Präsentierteller dieser Auseinandersetzung.
Geradezu sensationell änderte sich die politische Lage in den Jahren 1989 und
1990. Die Politik des letzten sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow
ließ das Eis schmelzen. Die Sowjetunion zerfiel, zahlreiche Staaten der
ehemaligen Sowjetunion erklärten die Selbstständigkeit und viele ehemalige
Verbündete des Warschauer Pakts drängten rasch in die NATO, auch aus Angst,
das Blatt könne sich wieder wenden. Die Wende blieb aus, die Nachfolger
Gorbatschows führten die Russische Föderation weg von einer Demokratie nach
strikt westlichem Muster. Warum und wieso erklärt der Autor aus seinen
Erkenntnissen.
Dies führte zu einem zunehmenden Vertrauensverlust zwischen dem Westen, unter
Führung der USA. Das hatte auch Auswirkungen auf die Deutsch-Russischen
Beziehungen. Das geschaffene Vertrauen durch die Ostpolitik Willy Brandts und
Helmut Kohls zerrinnt. Russland unter Präsident Putin drängt zu alter Stärke
zurück und pocht auf einen Sonnenplatz in der Weltpolitik. Ausreichend Stoff
für zahlreiche aktuelle Konflikte, deren Lösung offen scheint - leider vor
allem in eine unerwünschte Richtung zunehmender Konfrontation. Abschließende
Vorschläge zur Entspannung der Situation beschließen das aktuelle Buch von
Horst Teltschik.
Fazit
Horst Teltschik plädiert für ein Miteinander. Er tut dies auf einer betont
sachlich-argumentativen Ebene. Seine weitreichenden Kenntnisse als
Außenpolitischer Berater und Vorsitzender der Münchener Sicherheitskonferenz
bringt er gekonnt in Lösungsansätze ein. Die derzeitige Situation Russlands
wird kritisch bewertet, positiv-kritisch möchte man sagen. Putin wird weder
verteufelt, noch in den Himmel gelobt, auch nicht als Opfer einer westlichen
Einkreisungspolitik dargestellt. Vielmehr geht Teltschik der Frage nach, wie
verlorenes Vertrauen wiederhergestellt werden könne, und wie es gelingen
könnte, Russland aus der "Schmollecke" (in der es sich sichtlich
wenig wohlfühlt) zu bekommen und den einst begonnenen Friedensprozess nach der
Wende 1989/90 mit neuem Leben zu versehen. Diplomatie ist der einzige Weg - noch
wollen ihn alle. Der Autor plädiert eindringlich alle sich bietenden Chancen zu
Verhandlungen auf Augenhöhe zu nutzen und Schritt für Schritt neues Vertrauen
aufzubauen, auch wenn es wiederum eines langen Prozesses bedarf.
Das vorliegende Buch beschreibt den Werdegang der Beziehungen über viele
Jahrzehnte hinweg sachlich und objektiv, gut lesbar und interessant geschrieben.
Ein Buch, das einer kritischen, politisch-offenen Leserschaft gut gefallen
dürfte!
Vorgeschlagen von Dietmar Langusch
[Profil]
veröffentlicht am 27. August 2019 2019-08-27 07:43:57