Klar und mit Zug erzählt
Atlee Pine, ehemalige Gewichthebering mit fast Olympia Qualifikation, das ist
Baldaccis neue Ermittlerfigur und, das kann man vorwegsagen, eine durchaus
gelungene Figur, die in Teilen an Jack Reacher erinnert. Auch wenn die kühle
Ermittlerin nicht frei vagabundierend in der Gegend herumzieht, sondern eines
der wenigen Ein-Frau-Büros des FBI in der Nähe des Grand Canyon leitet.
Doch sobald Pine Ermittlungen auf eigene Faust beginnt, zu vollziehen und
durchaus in harte, körperliche Auseinandersetzungen gerät und zudem ihren
klugen Verstand einsetzt, um das große Ganze dieses verwickelten Falles bis
hinauf in oberste Dienstränge der Regierung zu verfolgen, dann sind durchaus
starke Ähnlichkeiten zu erkennen. Dabei handelt Pine allerdings nicht alleine,
sondern in Form eines Zweier-Teams, das ebenso treffend gelungen seine
Ermittlungen vollzieht und sich von nichts und niemand abschrecken lässt.
Wie allerdings aus dem Tod eines Lastenmulis über alte "ägyptische"
Legenden des Grand Canyons dann eine ausgewachsene Verschwörung langsam, aber
sicher erkennbar wird, unter Einbeziehung eines wohl militärischen
Hubschraubers und hier und da einer Andeutung, dass man als Regierung außerhalb
der Grenzen des Landes noch ganz andere "Verhörmethoden" anwenden
könnte, das bietet zwar im Fall selbst Spannung und Tempo, wirkt aber doch in
Teilen sehr weit hergeholt und zu konstruiert, um als realistisch betrachtet
werden zu können.
Der zu gute kommt, dass Baldacci einen Thriller verfasst hat, der sich wohltuend
nicht in verschiedenen Perspektiven, Rückblenden, Erinnerungen oder verzweigten
Handlungssträngen gestaltet, sondern konsequent aus der Perspektive der
Ermittlerin erzählt wird. Was dem Tempo und dem Mit-Rätseln des Lesers
überaus förderlich ist und in klarer Sprache wie aus einem Guss erzählt vor
Augen liegt.
Das dabei auch von Beginn an ein biographischer roter Faden als "Geschichte
in der Geschichte" mit aufgenommen wird und den Charakter Pines durch ein
traumatisches Ereignis in der Kindheit mitgestaltet, Brüche in der
Persönlichkeit ebenso erklärbar macht, wie das zurückgezogene Leben Pines und
die Freude an der teilweisen Einsamkeit, das gibt dem Thriller zudem einen zwar
durchaus bekannten und oft verwendeten Hintergrund, der aber zugleich eine
längere Erzähllinie über demnächst weitere Bände mit der Ermittlerin
bereits früh beim Leser verankert.
Das ein bis dato wenig auffälliger Mann im Canyon spurlos verschwindet, dass
dieser Mann vielleicht gar nicht jener ist, auf dessen Namen der Trip gebucht
wurde, dass auch das erweiterte Umfeld, von der Kirchen-Basketball-Mannschaft
bis zum Bruder hin einem strikt prüfenden Blick nicht unbedingt standhalten
wird und dass das teuer wirkende Haus des Mannes im Inneren sich ganz anders
darstellt, als man vordergründig glaubt, all das nun bestimmt die Abfolge der
Ermittlungen dieses konkreten Falles, in dem man bei der Lektüre irgendwann so
gut wie jeden für verdächtig hält, für die "Gegenseite" tätig zu
sein.
Bis sich Pine in hohe Regierungskreise (nicht nur der USA) vorarbeitet und dabei
die Gefahr für sie persönlich Seite für Seite drängender zunimmt.
Fazit
Eine sehr klar erzählter Thriller, der anregend unterhält, aber nicht
unbedingt voller Realismus steckt.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 21. Juni 2019 2019-06-21 14:30:54