Bisschen weit hergeholt
Zunächst sollte man, auch wenn es schwerfällt, die Vergangenheit ruhen lassen
und nicht zu sehr Hannibal Lecter im Hinterkopf haben bei dieser neuen Lektüre
von Thomas Harris. Denn auch wenn an fielen Stellen und in vielen Momenten das
"Sadistische" und "Gestörte" des Hans-Peter Schneider fast
beschworen wird von Thomas Harris, im Gegensatz zu Lecter ist dieser Schneider
doch eher eindimensional veranlagt und zu bemüht "böse" dargestellt,
als dass man das mit ähnlichem Schauder lesen würde, wie in früheren Werken
des Autors..
Dass zudem es scheinbar gar nicht so massiv auffällt, dass eine
"Filmcrew" in einer Villa in Miami mit schwerem Gerät den Keller
auseinandernimmt, auf der andren Seite aber eher wenig nachvollziehbar dann doch
"geflohen" wird aus dem Haus und der Nähe Schneiders, das erschließt
sich nicht unbedingt der Logik in den Abläufen. Wobei die Grundidee gar nicht
unpassend gesetzt ist. Denn dass Pablo Escobar dazu neigte, Schätze und
Reichtümer nicht Banken anzuvertrauen, sondern vielfach im Erdreich zu
vergraben oder an schwer zugänglichen Orten zu lagern, das ist natürlich
bekannt.
Und dass Harris immer noch in der Lage ist, bedrückende Effekte zu kreieren,
die man sich als Leser umgehend als Film vorstellen kann (wenn in der Villa, in
der die toughe, junge, hübsche Cari Mora, ehemalige Farc-Soldatin eingebrochen
wird und zwischen all den künstlichen Puppen und Monstern der Vorbesitzer mutig
das Licht anschaltet, um dann den Leser mit einer ganz anders als erwarteten
Situation zu konfrontieren), auch solche Moment weist das Buch durchaus immer
wieder auf.
Mit, so scheint es, Anleihen im Übrigen bei Special Agent Pendergast und damit
beim Autorenduo Lincoln Child und Douglas Preston, zumindest was ein bestimmtes
Augenpaar in einer Höhle angeht, die vom Meer gefüllt und, im Lauf der Jahre,
immer weiter "ausgehöhlt" wurde. Was im Harris Universum allerdings
ein wenig auch wie ein Fremdkörper erscheint und zu sehr rein auf Effekte hin
ausgerichtet ist, als dass es unbedingt in den Ablauf dieser Geschichte passen
würde.
So wirkt das Werk in Teilen auch wie eine Sammlung von Versatzstücken, die
nicht unbedingt mit Tempo, klarer Entwicklung und einem sicheren roten Faden
vorangetrieben werden, sondern als eine eher unangestrengte Lektüre mit immer
wieder lustvoll inszenierten Grausamkeiten und blutigen Beiwerk.
"Als es aus dem Loch kam, hing die untere Hälfte (...) darin, sein
Unterleib und seine Beine, drapiert mit rosafarbenen und grauen
Darmschlingen".
Fazit
Ein Thriller mit, wie gewohnt, starken einzelnen Momenten des Grauens, zwei
Hauptfiguren durchaus mit Potential, aber im Gesamten auch mit vielen wie
unverbunden wirkenden Elementen und einem nicht sonderlich kreative gestaltetem
Ende.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 06. Juni 2019 2019-06-06 12:02:51