Überzeugender Thriller
"'Ich muss nach Hause', hatte er gesagt, als sie ihn aufforderte, zu
bleiben".
Eine kleine Szene nur der Zusammenarbeit der frischgebackenen Anwältin (und in
diesem Fall des jungen Mannes Benjamin pro bono, heimlich und nervös unterwegs)
und des freien Mitarbeiters der Kanzlei, ihres Arbeitgebers, Teddy. Der einen
gravierenden Fehler begangen hatte vor in etwa einem Jahrzehnt, für diesen
äußerlich bezahlt hat und innerlich noch zahlt. Und sich nun eine merkwürdige
Querverbindung ergibt. Denn der verletzte junge Mann, der in der Nähe eines
Mordschauplatzes einen Verkehrsunfall erlitten hat und nun des Mords
verdächtigt wird, ist der Sohn genau jenes Mannes, den Teddy durch seine
damalige Tat "aus der Bahn geworfen hat.
Was nicht die letzte Querverbindung bleiben wird, denn Teddys Neffe, auch mit
einigen Schwierigkeiten in seiner Person und seinem Umfeld versehen, hat seine
Zeit in einem Erziehungsheim hinter sich gebracht und drängt (und wird
gedrängt) mit einiger Wucht wieder in seine alte Gang. Zwei scheinbar
voneinander getrennte Dinge, die Teddy dennoch überaus beschäftigten werden,
samt einer ominösen Festplatte, deren Dateien Teddys damaliges Opfer schockiert
geöffnet hatte.
Das in den kriminellen Kreisen Stockholms ebenso eine "Omerta"
herrscht, wie in den klassischen Mafia Kreisen weltweit, dass Nikola, sein
Neffe, in Gefahr geraten wird, dass die Kreise des "Clans" nicht nur
durch Ermittlungen der Polizei und die internen Verbindungen, die Teddy
herstellen wird, unter Druck geraten, sondern auch durch stramm rechts-nationale
politische Kräfte Gewalt mit ins Spiel geraten wird, all das verkompliziert
(für den Leser in bester Weise) den zunächst einfach erscheinenden Fall eines
Gewaltverbrechens und führt Teddy und Emilie mehr und mehr an den Rand der
Belastbarkeit in jedwedem Sinne.
Bis klar wird, dass die beiden nicht nur mit ihrer Reputation, ihrem Einkommen,
ihrem Beruf spielen, sondern auch das körperliche Wohl mehr und mehr gefährdet
wird und auch vor den Familien nicht Halt gemacht werden wird. Was Lapidus lange
Zeit undurchschaubar fast gestaltet, den Leser aber dennoch mit den roten Fäden
der Personen (die differenziert ausgestaltet vorliegen) und der Fälle eine
klare Erzähllinie an die Hand gibt, die anregend, unterhaltsam, überaus
spannend und zugleich rätselhaft vor die Augen des Lesers tritt.
Wobei Lapidus zudem einige hochaktuelle Themen geschickt zu einem, am Ende,
großen Ganzen verknüpft. Vom zunehmenden Einfluss der (in Teilen auch
gewaltbereiten) "neuen Rechten", von Übergriffen und Anschlägen auf
Flüchtlinge, vom Missbrauch und Themen der Kinderpornographie bis hin zur
Parallelwelt krimineller Vereinigungen mit ganz eigenen, überaus strikten
Regeln.
Fazit
Sprachlich, vom Erzähltempo her und in der Feingestaltung ein hervorragender
Thriller, der von der ersten bis zur letzten Zeile fesselt.
Vorgeschlagen von Lesefreund
[Profil]
veröffentlicht am 29. Mai 2019 2019-05-29 10:43:23