Eine sehr fundierte interdisziplinäre Untersuchung
Nicht nur jede Menge Magazine haben in den letzten Jahren "Das Land und das
Dorf" zu ihrem Thema gemacht, dies ist nur eines der Indizien, das klar
darauf hindeutet, dass ein neues und verstärktes Interesse an dörflichen und
ländlichen Lebenswelten zu beobachten ist. Zum einen im Rahmen der
demographischen Massenbewegungen der letzten Jahre und Jahrzehnte hin in
"Metropolen" und der damit verbundenen Frage der weiteren
Entwicklungen der "Provinz" als Lebensraum, zum anderen auch in
gewisser Weise als "Sehnsuchtsort" in immer schneller, hektischer und
naturfremder werdenden Zeiten und angesichts massiver ökologischer Probleme
weltweit.
Ein sich steigerndes Interesse, und daher ist der Ansatz des Interdisziplinären
bestens gewählt in diesem Handbuch, dass im Alltag, in der Populärkultur
(Musik und Literatur), in Künsten, Medien und Wissenschaften auf vielfachen
Ebenen das "Dorf" in den Mittelpunkt von Interessen wieder gerückt
ist. Trotz der Kennzeichnung, immer noch, in modernen Zeiten als
"Residualkategorie". Also vermeintlich eine überholte Lebenswelt, der
wenig Zukunft zugestanden wird, in einer Zeit, in der vom
"Dorfsterben" ganz selbstverständlich gesprochen wird, die
"Jugend" "Landflucht" betreibt.
Gerade angesichts dessen ist es eine umfassende Darstellung auch wert, dieses
erstaunlich widerstandsfähige Wohn- und Lebenskonzept zu betrachten. Was dem
Handbuch fundiert und breit bestens gelingt und damit einer der "ältesten
und verbreitetsten Lebens- und Sozialformen" gerecht wird. Als
wissenschaftliche Herangehensweise aus verschiedenen Fachrichtungen her bietet
das Werk dabei zunächst einen ausführlichen Blick auf die Perspektiven der
aktuellen Forschung aus den Fachrichtungen der Geschichte, der Wirtschaft, der
Ökologie, der Raumplanung, der Kulturwissenschaften, der Ethnologie bis hin zur
Sprachwissenschaft und Literaturwissenschaft hin.
Eine sorgfältige Einführung in die interdisziplinäre Bedeutung des
"Dorfes", die in den weiteren Hauptteilen differenziert ausgeführt
wird. Von den historischen Aspekten des Dorflebens über die gesellschaftlichen
Aspekte (das Dorf als politischer Irt, im sozialen Wandel, die Fragen von Jugend
und Alter im Dorf, aber auch die "Fremdheit" als starke Distanz zu
"Fremden" und "Hinzugezogenen" bis hin zur Bedeutung von
Tieren im dörflichen Leben).
Betrachtungen, die fließend überleiten zu den ökonomischen Aspekten des
Dorflebens, eine Kernbetrachtung, die er vermeintlich mangelnden
Zukunftsfähigkeit gewachsenen dörflichen Lebens ebenso Raum biete, wie der
Frage eines reinen "Wohnraumes aus Not" in Zeiten kaum zu stemmbarer
Mieten an anderen Orten. Aber auch der Tourismus als langjährig verstandene
"Rettung" bestimmter Dörfer, wie auch die Fragen nach
"Armut" im Dorf, aber auch nach "Innovationen" im Dorf und
von solchen ausgehend werden umfassend und sachlich informativ dargestellt.
Bis hin zu den kulturellen Konstruktionen des Dörflichen, wobei man nicht
vergessen sollte, dass über Jahrhunderte hinweg die keinen Lebenseinheiten auf
den Dörfern und mittleren kommunalen Einheiten das zumindest stark
mitbestimmende Rückgrat der Gesellschaft waren. Was in der Gegenwart in den
bildenden Künsten, der Literatur, in "verfilmten Dörfern" und
"popkulturell" dargestelltem Dorf (und weitere kulturelle
Konstruktionen) weiterhin einen aktuell stärker werdenden Betrachtungsraum
ergeben.
Fazit
Alles in allem ein umfassendes, den aktuellen Stand der Wissenschaft in den
verschiedenen Disziplinen abbildende, Betrachtung des Dorfes in sich trägt. Was
sprachlich ob des wissenschaftlichen Anspruchs des Werkes Konzentration
benötigt, dafür aber dem Leser einen sachlichen, fundierten und breiten Blick
auf die Lebensform "Dorf" ermöglicht, die frei von Klischees
umfassende Fakten vor die Augen führt.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 24. Mai 2019 2019-05-24 12:58:04