Nüchtern betrachtet handelt es sich um Wirtschaftskriminalität. Aber so wäre
es wirklich zu nüchtern betrachtet. Der Inverstigativjournalist John Carreyrou
schreibt für das Wall Street Journal, selbst bei Nicht-Fachleuten der
Wirtschaftsbranche im wahrsten Sinne des Wortes kein unbeschriebenes Blatt.
Inhaltlich widmet sich der Autor, so wie es bereits der Untertitel des Buches
verheißt, dem größten Betrugsfall im sogenannten Silicon-Valley. Zweifelsfrei
der Adresse für High-Tech und IT weltweit. Der Autor ging gezielten Hinweisen
seiner Informanten nach und stieß auf einen ganz "großen Fisch."
Es handelt sich um ein attraktives Start-Up-Unternehmen, unter der Leitung der
jungen Unternehmerin Elizabeth Holmes. Das Unternehmen mit dem Namen Theranos,
seine wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Zielsetzungen und Vorgehensweisen
bieten die Vorlage für das Buch von John Carreyrou. Eigentlich sollte es eine
sensationelle Entwicklung zum Wohle der Menschheit im Bereich labormedizinischer
Diagnostik werden. Das Mini-Labor zu Hause, von jedem einsetzbar und verwendbar,
mit minimalem Aufwand und maximalem Effekt und dazu noch kostengünstig. Die
Welt der Labordiagnostik schien vor einer gigantischen Revolution zu stehen.
Geschickt vermarktet nach außen, werden in den Board des jungen Unternehmens
nach und nach einflussreiche Menschen aus der US-amerkianischen High-Society
berufen und die Geldquellen stehen nicht still. Theranos steht vor einer großen
Zukunft und wird in kürzester Zeit zu einem der erfolgreichsten Start-Ups im
Silicon-Valley.
Elizabeth Holmes, später auch ihr Kompagnon (und Lebensgefährte) Sunny
Balwani, verstehen es geschickt, das Unternehmen nach außen perfekt zu
vermarkten. Nach innen allerdings gehen sie gnadenlos vor. Jede/r Mitarbeiter*in
muss für das Unternehmen eigentlich alles tun. Ausbeutung - so ließe sich das
Ganze zutreffend nennen. Wer nicht folgt, oder auch nur in Verdacht gerät, an
der positiven Entwicklung zu zweifeln, ist sofort seinen Job los. Allerdings
dauert es auch nicht lange, bis der nächste qualifizierte Mitarbeiter zur
Stelle ist. Wer möchte einem derart expandierenden Unternehmen nicht
angehören?
Allerdings gibt es ein ganz wesentliches Problem: keines der von Theranos
entwickelten Geräte hat jemals wirklich funktioniert. Über Jahre hinweg wird
dies geschickt kaschiert, sowohl durch gekonnte Vermarktung der Zielstellungen
bei gleichzeitiger Vorenthaltung des tatsächlichen Entwicklungsstandes, als
auch durch rigorose Politik innerhalb des Unternehmens. Und es funktioniert
über Jahre hinweg. Wie das geht? Lesen Sie das Buch!
Fazit
Vom Grunde her stehe ich dem Enthüllungsjournalismus ein wenig skeptisch
gegenüber. Oft werden scheinbare Skandale enthüllt und angeprangert.
Lösungsansätze und solide Belege sind hier und da leider Mangelware. Dies Buch
ist anders! Es handelt sich um soliden Journalismus und John Carreyrou versteht
es nicht nur spannend zu schreiben und den Leser mit packenden Details zu
fesseln und immer wieder in ungläubiges Kopfschütteln zu versetzen. Alles was
er offenbart, ist das Ergebnis gründlicher Recherche. Eigentlich ist das Buch
schwer zuzuordnen. Es ist Sachbuch und Kriminalroman in einem.
Es ist keine neutrale Darstellung einer der größten Betrugsfälle im
Silicon-Valley, vielmehr ist es eine gelungene, ausgezeichnet zu lesende und
fesselnde Darstellung der handelnden Personen und der sachlichen Abläufe.
Unbedingte Leseempfehlung!
Vorgeschlagen von Dietmar Langusch
[Profil]
veröffentlicht am 14. Mai 2019 2019-05-14 16:48:27