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Siri Hustvedt: Eine Frau schaut auf Männer, die auf Frauen schauen

Eine Frau schaut auf Männer, die auf Frauen schauen

von Siri Hustvedt
Verlag: Rowohlt Verlag [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Sachbuch
ISBN-13 978-3-498-03031-5

Preis: 26,00 Euro bei Amazon.de [Stand: 21. Dezember 2024]
Siri Hustvedts Essaysammlung befasst sich mit der Wahrnehmung von Kunst, ihrem eigenen Schreiben und dem Schreiben allgemein, sowie der Frage, was den Menschen ausmacht. Da Hustvedt an einer vermutlich neurologisch bedingten Erkrankung mit unklarer Diagnose leidet (Die zitternde Frau) und mehrere Jahre eine analytische Psychotherapie absolvierte, betrachtet sie die Welt aus der ungewöhnlichen Perspektive der Autorin, die sich seit ihrer Jugend für Naturwissenschaften interessiert hat und sich aktuell mit Neurologie und Psychiatrie befasst. Sie besetzt mit ihren Interessen das nahezu rein männliche Terrain der Sachtexte und Vorträge und sieht sich dort mit der Angst männlicher Experten vor der Entthronung konfrontiert. Hustvedts Erkrankung hat sie zum einen mit ihrem fehlenden naturwissenschaftlichen Wissen konfrontiert, zum anderen mit einem gewissen Tunnelblick in den Naturwissenschaften, der den Anforderungen an interdisziplinäres Denken nicht mehr genügt. Als interessierte Laiin nimmt die Autorin die Rolle einer außenstehenden Beobachterin ein, der mangelnde Flexibilität im Denken aus dieser Position besonders deutlich wird.

Die in den Naturwissenschaften erforderliche Eindeutigkeit und Präzision prägt das Denken und steht geisteswissenschaftlichen Methoden diametral entgegen. Geprägt ist das von Hustvedt wiederholt thematisierte Unverständnis von Geistes- und Naturwissenschaften nachhaltig davon, dass die Naturwissenschaften lange Zeit als rein maskulin definiert waren. Bis heute bleibt, man und mankind gleichsetzend, in der Arzneimittelforschung die speziell weibliche Ausprägung von Erkrankungen unerforscht.

Hustvedt betrachtet ihr zentrales Thema der Pluralität von Perspektiven sowohl aus ihrer Biografie als Tochter norwegischer Einwanderer in Minnesota, als Patientin zwischen Neurologie und Psychiatrie, aber auch generell in der Verknüpfung von Literatur und Wissenschaft. Interessant fand ich ihre Erkenntnis, dass Unterhaltungsliteratur die Weltsicht ihrer Leser bestätigen und bestärken soll und Perspektivwechsel in diesem Genre vermutlich selten ein Wohlgefühl hervorruft.

Als Autorin, die mit einem selbst erfolgreichen Autor verheiratet ist, sieht Hustvedt sich noch immer mit der herablassenden Annahme konfrontiert, Paul Auster hätte sie unterrichtet oder (die aus männlicher Perspektive verfassten) Teile ihres Werkes geschrieben. Die irritierende Tatsache, dass Frauen den maßgeblichen Umsatz im Buchhandel generieren, ihnen als Autorinnen jedoch noch immer wenig zugetraut wird, durchzieht Hustvedts Essays wie ein roter Faden.

Aus Essaysammlungen muss man sich die Rosinen herauspicken. Im Fall von Siri Hustvedt sind das Verknüpfungen, die sie zwischen ihrem Schreiben und ihren Figuren, ihrer Biografie und ihrer Lehrtätigkeit im Fach Psychiatrie am Weil Cornell Medical College zieht. Es sind oft nur wenige Sätze, die besonders Romanlesern tiefe Einblicke ermöglichen. Hustvedts norwegisch geprägte Rezeption Knausgårds könnte die Frage aufwerfen, wie Knausgård gelesen würde, wenn er unter einem weiblichen Pseudonym veröffentlicht hätte …
Fazit
Da Siri Hustvedts Erfahrungen männlicher Herablassung gegenüber ihrer Autorentätigkeit seit den 70ern des vorigen Jahrhunderts unverändert scheinen, ist "Eine Frau schaut auf Männer, die auf Frauen schauen" ein Buch der Stunde - und besonders Lesern ihrer Romane empfohlen.
8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne

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Vorgeschlagen von Helga Buss [Profil]
veröffentlicht am 09. März 2019

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