Ein fundiertes Brevier für die Praxis
Die "defizitäre Selbstkontrolle", in Folge dessen Patienten
unkontrollierten Zwängen anheimfallen und damit sowohl unter der Handlung an
sich (Spielsucht, Kleptomanie, Pyromanie, Aggressivität), als eben auch
darunter leiden, dass sie selbst über diese Handlungen keine Kontrolle
herzustellen vermögen, gehärt zu den ausgeprägtesten Störungsbildern, die im
Rahmen der VT allerdings relativ gut behandelt werden können. Dies vor allem
aber dann, wenn "alle beteiligten Personen" (und nicht nur allein der
Therapeut), mit den wichtigsten verhaltenstherapeutischen Strategien vertraut
sein müssen.
Neben aktiven Psychotherapeuten wendet sich Alfred Ehret aus seiner langen,
klinischen Praxis daher mit diesem sehr überzeugend und übersichtlich
strukturierten Werk auch an "paraprofessionelle Mitarbeiter" und
interessierte, u.U. auch in der Begleitung betroffene Laien. Mit großer Ruhe
und breitem Blick wendet sich Ehret dabei zum einen (komprimiert) den Grundlagen
von Impulskontrollstörungen zunächst zu (Ursachen, Formen, genereller
Verlauf), um sodann zum einen sehr grundlegend Motivationen zur
Verhaltensänderung vorzustellen und die beteiligten Therapiemodelle ebenfalls
Schritt für Schritt, übersichtlich und fundiert, vor Augen zu führen.
Stimuluskontrolle und Coping Skills, das Cue Exposure Modell, das
Habituationsmodell werden dabei ebenso sachlich und verständlich vorgestellt,
wie das Modell der formalen Veränderung von Mentalen Prozessen, dass der
Komplettierung von Handlungsketten, das Video Self Modelling, das Habit Reversal
Training, Selbstkonstruktionstraining und das Modell der Schematherapie. All
diese, inzwischen gängigen, Modelle, legt Ehret dabei nicht rein abstrakt und
theoretisch dar, es ist gegenteilig eine große Stärke des Buches, in den
einzelnen Abschnitten vielfache praktische Beispiele und praktische
Hinführungen mit zu verarbeiten, die das Verstehen beim Leser ungemein
erleichtern und von Beginn an ein klares Bild über die Ursachen von
Impulskontrollstörungen und deren mögliche Behandlungswege zu vermitteln.
"Das Buch ist die umfassendste Übersicht über Impulskontrollstörungen,
die mir bekannt ist", so vermerkt es Eckhard Roediger zutreffend im
Geleitwort.
Mit einer ebenso erkennbaren Tendenz, nicht ideologisch auf einer beschränkten
Auswahl an Methoden und Grundlagen zu verharren, sondern eine
"multimodale" Herangehensweise zu präferieren. Von systemischen
Problemlösungsstrategien über imaginative Verfahren hin zu Rollenspielen und
sozialem Kompetenztraining bis hin zu Achtsamkeitsübungen bietet Ehret damit
eine Vielfalt von Instrumenten, Interventionen und Methoden, die umfassend
eingesetzt werden können.
Wobei dabei das letzte Kapitel des Werkes besonders hilfreich am Ende der
Lektüre steht, in dem Ehret die zentralen Aspekte einer Behandlung von
Impulskontrollstörungen zusammenführt, auf deren Basis der im Bereich aktiv
Tätige eine "optimale Auswahl von Therapiemodellen zur Behandlung"
treffen kann. Bei der manchmal eine Methode als die bestmöglich geeignetste
für einen Patienten sich herauskristallisieren kann, in der Regel aber eine
Verbindung verschiedener Modelle in guter Weise zum Ziel führt.
Fazit
Ein umfassendes, fundiertes und praxisnahes Werk, mit dem vielfache und breite
Wege zur Behandlung dargestellt werden.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 28. Februar 2019 2019-02-28 13:16:01