Der Schriftsteller Peter Prange beobachtet, recherchiert und hört aufmerksam
zu. Und er beschäftigt sich mit einem Thema, bevor sich dieses schließlich in
einem fulminanten Roman seine Bahn bricht. So auch in seinem neuesten Werk
"Eine Familie in Deutschland", wovon momentan der erste von zwei
Teilen vorliegt.
Wie auch schon in einigen seiner anderen Romane geht es in diesem um die
nationalsozialistische Vergangenheit und was diese Auswüchse mit den Menschen
machen. Nun hat ihn die Frage beschäftigt, was er gemacht hätte, wenn er in
der damaligen Zeit gelebt hätte. Dafür hat er ein Figurenensemble geschaffen,
welches fast alle Charaktereigenschaften der menschlichen Gesellschaft
beinhaltet. Komprimiert wurde dies auf eine Familie sowie deren Freundes-,
Bekannten- und Verwandtenkreis. Die Handlung des Romans beginnt 1933 zur Zeit
der Machtergreifung Adolf Hitlers. Oberhaupt ist Hermann Ising, Zuckerfabrikant
im Wolfsburger Land. Er ist Ortsgruppenleiter in dem Ort Fallersleben, aus
welchem der Dichter des Deutschlandliedes stammt. Ising ist zwar Mitglied der
Partei des Führers, doch eigentlich sind die Ansichten der Partei nicht gerade
seine. Aber als angesehener Zuckerbaron, der er bleiben möchte, unterwirft er
sich den gesellschaftlichen Zwängen. Zur Familie gehören aber ein jüdischer
Freund einer seiner Töchter, so wie ein kommunistischer Freund der anderen
Tochter. Ein Sohn hat mit Politik gar nichts am Hut, er ist Ingenieur und
entwirft mit seinem jüdischen Freund den Prototypen eines Volkswagens. Der
zweite Sohn lebt ausschließlich für die NSDAP. Er sieht seine Rolle
ausschließlich in den Reihen der Partei. Da beißt sich also schon eine ganze
Menge innerhalb der Mitglieder der Familie. Hinzu kommen Konflikte, die von
außen in die Familie getragen werden.
Prange versteht es auf das Feinste, die historischen Gegebenheiten dramaturgisch
in die fiktive Handlung um die Isings einzubauen. Jede Situation wirkt
authentisch, plausibel, nachvollziehbar, wenn man sie wie der Autor aus der
jeweiligen Perspektive der Figuren sieht. Dabei verschwimmen die Übergänge von
Fiktion und Realität dermaßen, dass man mehr als einmal geneigt ist zu sagen:
Ja, so war das.
Mit dem Buch vergehen die über 600 Seiten und der Zeitraum von 1933 bis 1939
wie im Fluge. Man freut sich mit den Figuren, man ärgert sich mit ihnen,
manchmal packt einen die Wut. Wut über die Naivität, Wut über die Dummheit,
aber auch Wut über die Arroganz. Und man bewundert manchmal den Mut, mit dem so
manche Figur agiert.
Außerdem erfährt der Leser einiges über die Macht der Manipulation durch
Propaganda, über das manipulative Wirken großer Konzerne, die am Rockzipfel
der Partei- und Politikinteressen hängen, über den Machtmissbrauch, der aus
einem Beziehungsgeflecht entsteht. Vieles von dem, was der Autor beispielsweise
an der Geschichte der Familie Ising aufzeigt, wirkt auch heute noch in gleicher
Weise. Die Menschheit ist leider nicht davor geschützt und zeigt gerade in
jüngster Vergangenheit, dass sie nicht aus dem Damals gelernt hat.
Fazit
Prange hat einen großen Familienroman geschaffen, der weit mehr ist. Wer
ernsthaft an deutscher Geschichte interessiert ist, sollte sich das
Lesevergnügen keinesfalls entgehen lassen. Denn trotz des Themas ist er extrem
spannend und unterhaltsam, mit einer Leichtigkeit geschrieben, die nichts davon
ahnen lässt, dass die Arbeiten dazu zehn Jahre benötigten.
Vorgeschlagen von Detlef Knut
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veröffentlicht am 08. Februar 2019 2019-02-08 07:13:29