Angeregt von dem Film "Mephisto" mit Klaus-Maria Brandauer in der
Hauptrolle als Hendrik Höfgen und - genial! - Rolf Hoppe als Göring habe ich
das Buch gelesen. Es schildert exemplarisch die Situation der Künstler in einem
totalitären Staat, hier dem Dritten Reich. Anspielungen an den bekannten
Theaterintendanten und Faust-Darsteller Gustav Gründgens sind im Buch evident.
Klaus Mann war zeitweise mit ihm verwandt, da seine Schwester mit Gründgens
zeitweise verheiratet war - die "Barbara" im Roman.
Das Buch schildert die Karriere des zunächst kommunistischen
Provinzschauspielers Hendrik Höfgen, der jedoch nicht wie Max Reinhardt und
andere Schauspieler nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten 1933
emigriert, sondern im Land bleibt. Opportunistisch passt er sich den Machthabern
an. Dennoch leidet Höfgen auch unter der Situation - immerhin hat Höfgen im
Roman und auch Gründgens in der Realität versucht, Regimegegnern und Juden zu
helfen und zu retten - ein mutiger Akt in einem totalitären System. Dies kommt
in dem Buch zu kurz, da Klaus Manns Hass auf Gründgens sehr stark durchscheint.
Dennoch hat mich das Buch unwahrscheinlich gefesselt: es zeigt exemplarisch das
Leben der Künstler in einem totalitären Staat: wer sich nicht anpasst, wird
zertreten. Hendrik Höfgen flüchtet direkt vor der Realität in die
Schauspielerei: so ist es kein Wunder, dass er auf Vorwürfe - im Buch in
Auseinandersetzung mit einem kommunistischen Idealisten am Ende des Romans, im
Film am Ende im gleißenden Licht, welches Göring auf ihn strahlen lässt,
erklärt, er könne nichts für die Realität - er sei doch nur Schauspieler.
Es ist sicherlich leicht, heute den Stab über Gründgens und Höfgen zu
brechen. Deutlich wird jedoch, wie schwer Widerstand in einer totalitären
Diktatur gewesen ist: es fand eben nicht jeder den heldenhaften Mut zum
Widerstand oder zur Emigration. Klaus Mann zeigt in seinem Buch auch, wie
Höfgen unter dieser Feigheit leidet - obwohl das Werk insgesamt eine beißende
Satire auf die Nationalsozialisten wirft. Es entstand 1936 und so ist es
bewundernswert, mit welchem Scharfblick Mann die totalitären Zustände im Reich
Hitlers entlarvt - der Einzelne, das Individuum mit seinen Nöten zählt nichts,
es wird im Widerstand gegen das System entweder zertreten oder es passt sich -
seelenlos - an. Insofern scheint mir der Roman mehr zu sein als reine Satire -
es ist ein zutiefst trauriges Buch über den "unpolitischen Deutschen"
- wie Klaus Manns Vater, Thomas Mann, sich und seine Generation bezeichnet hat.
Fazit
Wie eine Staatsform - die Diktatur - jede kulturelle Blüte ersticken kann, wenn
Primitivität, Banalität und Borniertheit zusammentreffen und die Macht
erlangen - dies zeigt dieser sehr eindrucksvolle Roman, der - wie Feuchtwangers
zur selben Zeit entstandenes Buch: "Der falsche Nero" - ebenfalls ein
Schlüsselroman über die Zustände im nationalsozialistischen Deutschland und
mit dem vorliegenden Buch in vieler Hinsicht vergleichbar - meines Erachtens ein
Meisterwerk der Exilliteratur darstellt. Ob er der Person Gustav Gründgens'
(die Höfgen aller Dementis des Autors zum Trotz doch wohl darstellt)allerdings
gerecht wird, dies ist eine andere - und für mich offene - Frage.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 28. April 2004 2004-04-28 20:30:56