Taumelnde Enthüllungen
Joe O'Loughlin hat einiges zu Schultern. Was, jedes für sich betrachtet,
bereits stärkere und, vor allem, gesündere Menschen als ihn an den Rand der
Kräfte schon bringen würde. Parkinson mit zunehmenden Aussetzern. Seine Frau
vor 16 Monaten verstorben, mitten aus dem Leben heraus. Seine Mühe, alle Kraft
zusammenzuhalten, um für Charlie und Emma, seine beiden Töchter, das Leben mit
einem stabilen Rahmen zu versehen. (Was auch bedeutet, nachts aufzuschrecken und
mit bangem Herzen das geöffnete Küchenfenster, durch das man aufs Dach des
neuen Wohnsitzes der gebeutelten, kleinen Familie gelangt, zu betrachten. Zu
Recht mit bangem Herzen, wie sich zeigen wird).
"Ich bin ein gebrochener Mann, der auf den Trümmern seiner Vergangenheit
steht".
Eine Situation, in der ein neuer Schock auf Joe zurollt, Der zwar mit einem
vermeintlichen Unfall seines Vaters, des ehemaligen Star-Chirurgen, für ihn als
Sohn zeitlebens weitgehend unnahbar, schon schwierig genug beginnt, sich aber
dann Seite für Seite zu einer fast überrollenden Dampfwalze an Geheimnissen
und neuen Informationen über den 80jährigen prominenten Arzt entfaltet, die
Joe mehr und mehr nicht nur in Atem halten, sondern auch den Atem mehr und mehr
zu nehmen drohen. Was Robotham mit kundiger Hand und überaus flüssig in den
Raum des Buches setzt und mit stets griffigen Bildern den Leser umgehend und
durchgehend emotional im Geschehen verankert.
"Der Sommer verging in Leugnung und Isolation, der Herbst brachte die Wut,
der Winter die Schuld, und im Frühling hatte meine Depression mich dazu
getrieben, mir Hilfe zu suchen".
Doch Joe predigt auch immer eines dazu, als Professor und Psychologe allen, auf
die er trifft: Das beste gegen Trauer ist Bewegung. Nach vorne hin. Doch soviel
Bewegung? Bei der er ein Feuer sehr nahe kennenlernen wird, Drogensüchtige ihn
mit einer Eisenstange bedrohen, Frauen voller Geheimnisse seinen Weg kreuzen
(nicht nur jene Frau, die er aufgelöst am Krankenbett seines Vaters trifft und
die sich als dessen Ehefrau bezeichnet. Nur leider keine Ähnlichkeit mit Joes
Mutter aufweist). Unfall, Anschlag, Versehen? Schwarze Witwe oder instabile
Persönlichkeit bei einem Nachkommen dieser Frau? Drogendelikt oder
Wirtschaftsbetrug?
Viele Wendungen nehmen die Ereignisse, vieles an fest gefügtem, im guten wie im
schlechten, wird seine vermeintliche Realität verlieren und lange hat Joe den
Eindruck, wie im Morast zu waten und keinen Schritt wirklich voranzukommen bei
all den Querverbindungen, heimlichen Liebschaften und bei dem, was sich als der
echte Charakter seines Vaters (und nicht nur dessen) herauskristallisieren wird.
Wobei Robotham in keiner Weise die Action zum rechten Zeitpunkt vernachlässigt
und damit stetig hintergründige und an hervorgehobenen Stellen auch
vordergründige Spannung bestens zu setzten versteht. Und das alles in
sprachlich ausgereifter Form.
Fazit
Eine überaus empfehlenswerte und durchweg spannende Thriller-Lektüre mit jeder
Menge menschlichem Tiefgang.
Vorgeschlagen von Lesefreund
[Profil]
veröffentlicht am 07. Januar 2019 2019-01-07 11:53:02