In aller Breite und Ruhe gut erzählt, aber auch mit manchen Längen versehen
Ein Diakon, einer, der Geistlicher werden wollte, aber die Abschlussprüfungen
nicht bestanden hat. Einer, der zum "Bürger des Jahres" gerade
gewählt wurde, der sich einsetzt, für Kinder, für Arme, für die Gemeinde.
Und ein anonymer Hinweis, dass genau dieser Diakon eine ungesunde Nähe zu
Kindern pflegen soll. In der heutigen Zeit ist klar, dass dem nachgegangen wird.
Verhaftung, warten auf "echte" Polizisten in Ludlow (aufgrund der
allgemeinen Einsparungen sind im Ort nur Hilfspolizisten ohne große Befugnisse
zu Gange). Und dann wohl Suizid im Polizeirevier. So die offizielle Lesart,
daher die Vernachlässigung weiterführender Ermittlungen.
Wobei die örtlichen Polizeikräfte die Rechnung ohne den Vater des Diakons
gemacht haben, der Verbindungen hat. Und so wird die Chief-Superintendentin
Ardery aus London zur Prüfung geschickt. Und Ihr Barbara Havers an die Seite
gestellt. Nicht ohne Hintergedanken, denn Sir Hillier, der Polizeichef, sucht
seit längerem Material gegen Havers, aber auch ihren verbundenen Vorgesetzten
Lynley. So verlaufen die Ermittlungen eher gegeneinander als miteinander
zwischen Havers und Ardery, die zudem noch mit mindestens zwei gravierenden
Problemen zu kämpfen hat, wovon das eine in Flaschenform und das andere durch
ihren ehemaligen Ehemann den Alltag belastet. Doch alle Versuche, die Sache
rasch abzuschließen und Havers das ein oder andere ans Zeug zu flicken
Scheitern in ersten Hauptteil des Kriminalromans, bis im zweiten Hauptteil dann
die Ermittlungen an das eingespielte Duo Havers – Lynley fallen.
"Unter jedem Stein, den man umdreht, kommen neue Beziehungen zu
Tage".
Was eine Stärke dieses Falles ist, denn mehr und mehr Details aus dem
Hintergrund der vielen Figuren und damit mancher möglicher Verdächtiger treten
zu Tage, immer wieder erhält der Leser neue Impulse, die Sachlage aus einer
leicht geänderten Perspektive zu betrachten und bis dato sicher scheinende
"Geschichten" zur Tat neu zu bewerten. Und genauso passt es dieses Mal
ganz gut, eine doch lange Wegstrecke der Lektüre einmal weniger mit Lynley und
mehr mit seiner ehemaligen Geliebten und Kollegin Ardery zu verbringen.
In Teilen allerdings erzählt George, worauf bereits der reine Seitenumfang des
Werkes hindeutet, doch zu breit, zu ruhig und, was das Privatleben der Ermittler
angeht mit zu viel Nebensächlichkeiten, um den Lesefluss ungestört aufrecht zu
erhalten. Zwar finden sich temporeiche Passagen zu Beginn, zum Schluss und an
verschiedenen anderen Stellen der Lektüre, aber ein "Page-Turner" ist
das im gesamten nicht, sondern vor allem eine ruhige, durchaus kluge
Ermittlungsgeschichte zu einem aktuellen Thema der Zeit, was den Missbrauch an
Kindern angeht, die viel Raum für ihre Personen lässt und damit dem Leser ein
teils zu umfassendes Bild der je persönlichen Verhältnisse und Belastungen
vermittelt.
Fazit
Hier wäre weniger mehr gewesen. Während im Gesamten trotz der Schwächen doch
eine durchaus anregende Lektüre am Ende verbleibt, die mit dem Werk Georges
vertrauten Lesern wieder einige neue Details und Seiten an den Hauptpersonen
vermittelt.
Vorgeschlagen von Lesefreund
[Profil]
veröffentlicht am 05. November 2018 2018-11-05 13:07:59