"Mutter" sieht alles
V.S. Gerling hat es in diesem Jahr mit "Die Ewigen" vorgelegt. Just in
letzter Zeit sind die letzten Aufsätze und Gedanken Hawkings öffentlich
geworden, in denen er seine Sorge vor genetisch veränderten
"Super-Menschen" schon in naher Zukunft befürchtet. Beruhend auf den
neuesten Ergebnissen der Gen-Forschung hat nun auch Andreas Brandhorst dieses
Thema in einem breit angelegten Thriller umgesetzt, der nur im ersten Augenblick
einige Verbindungen zur Science-Fiction Literatur aufzeigt, bevor dem Leser
gewahr wird, dass alle Elemente im Buch bereits Realität sind. Echte und
virtuelle.
Das perfektionierte "Second Life" (im Buch "Eden" genannt,
bietet damit ein ebenso reflektiertes Hintergrundbild für Überlegungen zur
Unsterblichkeit, wie als Ort actionreicher Katz-und-Maus-Spiele, samt der
Rahmung als Residenz des im Buch aktuellen Papstes, der im realen Vatikan nicht
mehr präsent sein kann. Und alles lässt sich zurückführen auf die
tatsächlich existierende "CRISPR/CAS Methode", ein
"zuverlässige, billige und sehr präzise genetische Schere". Die von
Pascal Leclerq unter dem Eindruck des schwierigen Todes seines Vaters gemeinsam
mit seinem Partner Amadeus Vanheuver zum Mittelpunkt seiner Forschungen nun
gesetzt wird. Mit dem einfachen, aber ambitionierten Ziel, den Tod auszurotten.
Was zwischen den Partnern im Lauf der Jahre vielleicht nicht ganz auf die
gleiche Art und Weise verstanden werden wird. Das nun den Papst, einen im
Untergrund lebender Mann namens Caleb und eine hocherfolgreiche Reporterin,
Sophia Marchetti, Jahre später auf den Plan rufen wird. Denn angesichts der
wissenschaftlichen Möglichkeiten bedarf es neuer Haltungen.
Und angesichts mancher Ereignisse des Terrors gegen die neue Gen-Wissenschaft,
durchgeführt von "Jossul", einem radikal konservativ denkenden, sich
von Gott geleitet und berufen fühlenden Mannes, angesichts von Hindernissen,
die vor allem Marchetti plötzlich von allen Seiten zwischen die Beine geworfen
bekommt, zudem auf dem Hintergrund eines brutalen Attentates und der
Öffentlichkeit wohlweislich weitgehend unbekannter, neuer Möglichkeiten in
Bezug auf virtuelle Welten und eines "Projektes M", das lange Zeit
niemand der beteiligten Personen wirklich einzuschätzen weiß, nehmen die
Ereignisse im Buch rasant Fahrt auf.
Wobei Brandhorst das Wissenschaftliche im Thriller nicht übertreibt, aber an
den entsprechenden Punkten fundiert darstellt, mehr und mehr Fahrt auch in den
Bedrohungen und Gefahrenlagen aufnimmt, sich nicht scheut, auch Sympathieträger
hart anzugehen (und dabei nicht jeden unbeschadet davonkommen lässt) und im
Gesamten einen ernüchternden Blick auf die Gegenwart und Zukunft wirkt. Nicht
umsonst betont seine Marchetti prägnant, dass sie sich der Wahrheit
verpflichtet fühlt und nicht ohne Grund geraten all jene im Thriller unter
Druck und Lebensgefahr, die einer Lösung für das Wort reden und nicht dem
üblichen "Gewinn" für die Mächtigen und Reichen. Spannend,
anregend, mit vielfachen Verbindungen zwischen den diversen Protagonisten, bei
denen einige der Verbindungen zum Ende hin überraschend erst zum Vorschein
gelangen, eine perfide Strategie eines "Konzerns" und, bei zumindest
einem, Erkenntnisse über sich selbst, die einem schon den Boden unter den
Füßen wegziehen können.
Fazit
Ein empfehlenswerter, reflektierter, aber auch mit Spannung und überraschenden
Wendungen versehener Thriller, in dem "Mutter" (als Symbol einer KI
basierten Zukunft) eine tragende Rolle zukommen wird. In allen Richtungen, die
im Buch möglich erscheinen werden.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 26. Oktober 2018 2018-10-26 13:22:11