Ist es wirklich schon so schlimm? Der Buchtitel macht besorgt - erst recht weil
das Buch von einem erfahrenen Diplomaten geschrieben wurde.
Keine Angst: der Titel wurde natürlich nicht ohne Hintergrund gewählt, jedoch
wird beim Lesen des Buches auch klar: es gibt Wege aus der Krise und insofern
schreibt Wolfgang Ischinger ein durchaus ermutigendes Buch. Wie schon erwähnt:
der Autor weiß, wovon er spricht. Er vertrat die Bundesrepublik Deutschland
über viele Jahrzehnte diplomatisch auf höchster Ebene und hat viele
Weltereignisse live miterlebt. Das verschweigt er durchaus nicht in seinem Buch.
Aber: mit jedem Satz merkt man, dass er nicht nur ein Vollblut-Diplomat ist,
sondern ein besonnener Analyst, dessen Wirken auf eine bessere, sichere Welt
gerichtet war und ist.
In seinem ersten Kapitel bestätigt er zunächst den angstmachenden Titel des
Buches und zeigt auf, wo derzeit die Krisenherde dieser Welt zu finden sind, und
dass sie durchaus eine Gefahr bedeuten, wenn man ihnen nicht in geeigneter Form
begegnet. Seine Ausführungen über die Kunst der Diplomatie (Kapitel 2) weisen
eindringlich darauf hin, wie bedeutsam internationale diplomatische Begegnungen
sind, ja geradezu unverzichtbar bei der Lösung von Problemen.
Die folgenden drei Kapitel beschäftigen sich mit Kernpunkten internationaler
Politik. Zunächst wird der schleichende Weg der Supermacht USA beschrieben, die
ihre Rolle als "Weltpolizist Nr. 1", als Garant für die freie Welt
nicht mehr spielen mag. Die Losung des derzeitigen Präsidenten Trump
("America First") bringt dies auf den Punkt. Zugleich schicken sich
mit Russland und China zwei Großmächte an, die Stellung der USA vielleicht
nicht gerade zu übernehmen, aber zumindest in die Lücke zu stossen und ihre
eigenen Interessen auf internationalem Parkett in den Vordergrund zu rücken.
Dass Diplomatie der beste Weg zu nachhaltigen Einigungen ist, daran lässt der
Autor an keiner Stelle einen Zweifel. Auch nicht im Syrien-Konflikt. Realistisch
beschreibt er jedoch auch, dass Diplomatie alleine (leider) auch nicht immer zum
Ziel kommt. Militärische Stärke ist in jedem Falle gefragt und kann
Konfliktparteien, wenn es denn nicht anders geht, an den Verhandlungstisch
bringen/zwingen. Die Vereinten Nationen (UN) sind für Ischinger eine geeignete
Organisation, über den Weltfrieden zu wachen. Allerdings weist er auch auf eine
Reihe von Schwachstellen hin (Besetzung des Sicherheitsrates, Missbrauch des
Vetorechts etc.), die dringend einer Reform bedürfen.
Last but not least befasst sich der Autor mit Europa, besser gesagt mit der
Stellung der Europäischen Union. Er unterstreicht dabei die außenpolitische
Bedeutung dieser Staatengemeinschaft und wirbt nachdrücklich für eine
Stärkung der EU. Deutschland als eine der führenden Nationen darf sich bei der
Übernahme von Verantwortung (auch militärischer Verantwortung) nicht
wegducken. Er sieht die Bundesrepublik in der Rolle eines emanzipierten und
starken Staates, von dem die Partner erwarten (dürfen), dass es zu seiner
Verantwortung auch steht, ohne andere zu auszustechen..
Fazit
Mit jedem Satz lernt der Leser Wolfgang Ischinger als überzeugten Demokraten
kennen, der über eine immense Erfahrung als Diplomat verfügt. Seine
Erfahrungen und Kenntnisse weisen ihn als profunden Kenner der internationalen
Politik aus. Seine Lösungsansätze sind analytisch hervorragend durchdacht und
weisen realistische und gangbare Wege aus den Krisen heutiger Tage.
Den Europäern und mit ihnen den Bürgern der Bundesrepublik Deutschland kommt
aus seiner Sicht eine herausragende Stellung in der künftigen internationalen
Politik zu, die allerdings nur als Gemeinschaft erfolgreich nach außen
vertreten werden kann. Insofern macht er, insbesondere im letzten Kapitel, den
Menschen Mut, diese Aufgaben beherzt anzugehen.
Dem Wunsch des ehemaligen amerikanischen Außenministers Kissinger kann ich nach
dem Lesen des Buches von Wolfgang Ischinger nur recht geben: Hoffentlich
erreicht es eine große Leserschaft - es wäre verdient! Ein Buch, das Wege aus
den Krisen zeigt, Mut zum Handeln macht, ein Buch das spannend und informativ
geschrieben ist. Ein Sachbuch, das der Leser nur ungern aus der Hand legen wird.
Vorgeschlagen von Dietmar Langusch
[Profil]
veröffentlicht am 10. Oktober 2018 2018-10-10 21:49:55