Ein irritierender Blick auf wundersame "Heiler"
Auf ein Prozent beziffert die Schulmedizin jene Fälle von Heilung bei schwerer
und schwerster Erkrankung, für die es keine wissenschaftliche Erklärung gibt,
die dennoch geschehen und gemeinhin als "Wunderheilung" bezeichnet
werden. Auf viel mehr Prozent belaufen sich jene "Heilungsangebote"
und jene "Sucher", die bei niederschmetternden Diagnosen und
angesichts der Ohnmacht der klassischen Medizin bestimmten Krankheiten in
bestimmten Stadien gegenüber "auf den Plan treten". Alternative
Therapien, Schamanen, Handaufleger und vieles mehr ist dabei in dieser
"Wunderheilungswelt" zu finden. Wobei, scheinbar, nach den Erfahrungen
Bruckners vieles, aber eben nicht alles als haarsträubender Humbug sich
herausstellen wird. Und gerade die Ausnahmen sind es, die dem Leser am Ende der
Lektüre tief im Gedächtnis verbleiben werden.
"Die Behauptung, meine Tumordiagnose sein ein Geschenk des Himmels gewesen,
wäre eine glatte Lüge. Die Entscheidung allerdings, deswegen alternative
Heiler aufzusuchen, erwies sich als goldrichtig".
Persönlich betroffen somit macht sich der Journalist auf die Reise in diese
"Alternativ-Welt" und fasst die Ergebnisse sehr flüssig, sachlich,
mit einer gehörigen Portion (Galgen-) Humor auch zusammen. Heilung durch
"Geister" in einer Sekte mit charismatischem Anführer? Eine Operation
durch einen philippinischen "Wunderdoktor"? Kontakt zu
Voodoo-Priestern in Afrika? Pendler, Kartenleger, Aura-Sucher? All das ist dem
"normalen Alltag" völlig fremd und kommt wohl tatsächlich erst zum
Tragen, wenn die innere Not groß ist und verzweifelt nach Hilfe und Heilung
gesucht wird. Ein Zustand auch, das beschreibt Bruckner griffig und
verständlich, in dem ein Mensch sich in ganz anderer Weise mit wesentlich
weniger Distanz auf solch merkwürdige Handlungen und Phänomene einzulassen
bereit ist. So bietet Bruckner im Gesamten eben nicht eine kritische,
distanzierte Darstellung all dessen, was ihm begegnet, sondern begibt sich offen
mitten hinein in das jeweilige "Heilungsangebot". Auf diese Weise
gelingt ein ganz besonderer Erlebnisbericht, der den Leser auch innerlich
emotional und nicht nur intellektuell mit auf die Reise nimmt.
"Mit Respekt, Offenheit und der mir maximal möglichen Unvoreingenommenheit
ließ ich die jeweiligen Heilungsmaßnahmen (...) über mich ergehen".
Mit vielen surrealen Erlebnissen, teils aber auch verblüffenden Folgen. Bis
dahin, am Ende eine Form der inneren Ruhe gefunden zu haben, die nicht nur die
konkrete Angst vor der Krankheit und den Ergebnissen abschließender
Untersuchungen genommen hatte, sondern sogar die vorhandene Klaustrophobie
deutlich verringert hat.
Fazit
Und das ist eine interessante Erkenntnis, ein inneres Erleben, welches Bruckner
am Ende mitzuteilen hat. Dass vielleicht an ihm keine unbedingten Wunder
"energetischer Heilungen" stattgefunden hatten, aber das Innere
Erleben und die Haltung, mit der Brucker der Welt und seiner Krankheit am Ende
begegnet, eine ganz andere geworden ist, als zu Zeiten der Eröffnung der
Diagnose.
Eine Veränderung der Haltung, die das offene Ende des Buches bestens erklärt
und den Leser am Ende auf sich selbst zurückverweist. Mit vielen Indizien, aber
keinen eindeutigen und klaren Empfehlungen. "Alles Leben ist
Problemlösen", das ist die tiefere Erkenntnis dieses besonderen Weges und
Erlebens, das Bruckner anregend zu erzählen versteht, bei aller persönlichen
Dramatik.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 10. September 2018 2018-09-10 09:06:51