Auf der einen Seite spielt diese Geschichte in Finnland. Zur Sommerzeit und in
der "Sommerfrische" einer ganz normalen Familie. Vater mit gutem Job
als Informatiker, Mutter hatte vor einiger Zeit bereits einen Achtungserfolg auf
dem Buchmarkt geerntet und gedenkt, diesen mit ihrem nächsten Werk
fortzusetzen. Alice ist dreizehn und pubertierend, mit ganz eigenem Stil und
Anton ist 10, ein hervorragender, intuitiver Beobachter, wenn er auch nicht alle
Zusammenhänge und Hintergründe dessen versteht, was er da intuitiv erspürt
bei "den Großen". Soweit, so normal.
Oder eben auch, Vater hat einen gefährdeten Job, weil sein Arbeitgeber, das
Warenhaus, nur noch rote Zahlen schreibt. Mutter ringt um darum, überhaupt mal
wieder ein Wort zu schreiben. Alice verliebt sich, Anton spürt, dass die
"alten Dinge" (Legoautos und andere Kindergeschenke) nicht mehr seiner
entsprechen, aber das kann man der eigenen Großmutter ja nicht so sagen.
Soweit, auch normal in der Gegenwart, in der Arbeit brüchig wird, Unruhe
überall entsteht, ein stetiges Leben kaum mehr möglich ist.
Das beide Eltern, Julia und Erik, zudem auf die 40 zugehen und in all dem
äußeren Wandel auch, zunächst emotional irgendwie, dann aber auch fassbarer
im Leben, an sich selbst und aneinander Zweifel bekommen, das ist der
hintergründige rote Faden, den Teier Seite für Seite mehr in den Vordergrund
rückt im Rahmen der Spannungen, die er fast beiläufig in dieser Ehe, aber auch
im Umfeld wachsen lässt. Die Nachbarn in der Sommerfrische,
"Aussteiger" offiziell. Mit ganz besonderen Regeln. Darunter Marika,
die ehemals engste Jugendfreundin Julias und mit einem besonderen Wissen
ausgestattet. Das wiederum die zu Besuch eilenden Eltern Julias, vor allem ihre
Mutter, sichtbar nervös werden lässt.
Da fällt es kaum mehr ins Gewicht, dass Julias Vater keine Regung zeigt, sich
um Schwachstellen des lange nicht mehr genutzten Sommerhauses zu kümmern oder
das Eriks Bruder Anders wie aus dem Nichts plötzlich ebenfalls vor Ort
auftaucht. Eine Situation, die Teir in einem präzisen, den Kern des Werkes in
sich tragenden bildlichen Symbols mit einem überfluteten Keller mit leichter
Hand auf den Punkt bringt. Natürlich nicht, ohne zuvor seinen Protagonisten,
alt und jung, tief in die Seele zu schauen. Und damit auch den Leser breit
anzusprechen mit diesen Archetypen an Menschen der modernen Welt, die energisch,
aber in gewisser Weise innerlich haltlos, versuchen, ihren Platz in dieser Welt
zu erringen, zu halten, zu sichern und doch vielfach einfach dahin- und
abgleiten.
"Mein Bruder hat Angst vor Leuten, die nicht glücklich und positiv sind.
Deshalb beginnt er jeden Tag damit, die Stimmung in seiner Umgebung so zu
beeinflussen, dass sich alle wie er fühlen. Und weil er im tiefsten Inneren
nicht glücklich ist, merkt er nicht, dass genau das auf alle anderen
abfärbt".
Was nur eines der "Stimmungsprobleme" ist, denn die unangenehm
realistisch und ständig sich bewertend einmischende Mutter Julias hat, ganz
unabhängig von Erik, auch einiges, dass sie lieber nicht bekannt werden lassen
möchte. Doch, wie das so ist in dieser Enge im Sommerhaus, auf Dauer bleibt
nichts wirklich verborgen. Weder alte Sünden noch neues Scheitern "großer
Pläne" in der Kommune nebenan. Was den Leser am Ende ernüchtert
zurücklässt mit der Frage, was denn nun gehen könnte. Heut und hier.
Fazit
Einige Längen tauchen auf im Rahmen der Lektüre, teilweise zu banales und
alltägliches tritt in manchen Sequenzen zu sehr in den Vordergrund, insgesamt
aber gelingt Teir eine unaufdringliche, dafür um so wirksamere Betrachtung des
modernen Lebens, in dem es scheinbar keine gesicherten Grundpfeiler mehr gibt.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 07. Juni 2018 2018-06-07 10:16:56