Nüchterne und fundierte Bestandsaufnahme
Vorweg gesagt, all die Konflikte und Streitigkeiten des politischen und
gesellschaftlichen Alltags von "Rechts gegen Links", die zunehmende
Stilisierung der Religion entweder als "Formel" für eine Art
"bessere Heimat" oder, auf der anderen Seite, als emotionale
Aufwühlung zum Kampf finden in diesem, in der Form sehr ruhig dargelegten, Werk
keinen Platz. Wie Dreier das versteht und wie er die historische Linie belegt,
die zu der konkreten Ausgestaltung der Haltung des modernen, demokratischen
Staates zur Religion in der Gegenwart führt, ist daher eine angenehme,
anregende und, vielfach, "zurecht-rückende" Lektüre.
"Der säkulare Staat als religiöser Freiheitsgewinn". Allein schon
diese Überschrift über das erste Kapitel zeigt an, dass Dreier sein Feld
differenziert angeht und auch Fragen recherchiert, die zunächst im allgemeinen
"Gerede" zu kurz kommen. Nicht nur der Staat nämlich ist es, der sich
"zu befreien hat" und nicht die Religionen sind es, die nun einen
"Mangel an Einfluss" zu beklagen hätten, sondern ebenso gilt, dass
durch die Trennung von Staat und Kirche diese sich vermehrt der ihr "inne
wohnenden" Aufgabe, Kultus, Ritus und Spiritualität" zuwenden kann,
befreit von den Verpflichtungen zur "Regierung". Ohne dass politische
Aussagen oder ein demokratisches Mitsprachrecht bei gesellschaftlichen Themen
davon beschnitten wäre. Im Rahmen der "Selbstbeschränkung des säkularen
Staates auf das Säkulare" und damit auch den Schutz der Religionen vor
staatlicher "Benutzung", wie im dritten Reich noch massiv mit der
"Deutschen evangelischen Kirche" geschehen.
Sachlich im Ton, fundiert in jedem Kapitel, stellt Dreier die Säkularisierung
in ihren vielfachen Facetten sachgerecht dar, verweis auf die Überlegungen
hinter konkreten Setzungen in der Historie, lässt auch die Kontroversen zu Wort
kommen (was die unbedingte religiös-weltanschauliche Neutralität des Staates
angeht, die durchaus kritisch gesehen wird, um die Kontroversen grundsätzlicher
Natur immer schon im Raum standen) und schaut durchaus auch nach, ob nicht
"sakrale Elemente im säkularen Staat" sich erhalten, eingeschlichen,
bewusst platziert worden sind. Insgesamt ergibt sich daraus eine klare Haltung
der Freiheitlichkeit, die als "höchster Wert" Dreiers durchaus
verstanden werden kann und deren Grundfesten eher bis in die Aufklärung hinein
verfolgt.
Fazit
Eine wertvolle Lektüre gerade in "religiös" aus vielen Richtungen,
in vielen Arten und mit ebenso vielfachen Motiven "aufgeheizter" Lage,
nach der ein "Kreuz-Zwang" dann durchaus kritisch bewertet werden kann
und der Leser sachlich fundierte "Orientierungspunkte" noch einmal
deutlich formuliert und ebenso überzeugend begründet vorfindet.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 03. Juni 2018 2018-06-03 13:45:58