Erschrocken bin ich bereits beim in die Hand nehmen des Buches: hier muss und
will eine Autorin unter einem Pseudonym schreiben, um sich und ihre Familie zu
schützen (so schreibt es der Verlag in seinen Anmerkungen). In einem Land wie
unserem mit einem ausgeprägt demokratisch-rechtsstaatlichen Status kein gutes
Zeichen! Zugegeben: das Thema ist durchaus brisant. Aufrüttelnd schildert die
junge Berliner Mutter und Frau eines überzeugten Streifenpolizisten, was es
heißt Familie, die eigenen beruflichen Stress und die Erfordernisse des
Polizeidienstes in Einklang zu bringen. So recht tauschen möchte da wohl
niemand.
Der Leser wird mit den alltäglichen Aufgaben und Erlebnissen des
Polizeidienstes in Berlin (mit den Besonderheiten einer Großstadt) bekannt
gemacht und, soweit möglich, auch mit den komplexen und komplizierten
Einflüssen auf den (familiären) Alltag der Beamten und deren Lebenspartnern
und Kindern konfrontiert. Da werden auch die ungünstigen Arbeitszeiten, die
mangelhafte Bezahlung und Ausrüstung und nicht zuletzt die fehlende
Wertschätzung in (Teilen) der Bevölkerung, bei vorgesetzten Dienststellen und
in der Politik aufgezeigt. Über die verschiedenen Abschnitte dieses gut
lesbaren Taschenbuchs wird sichtbar: es ist alles andere als ein leichter Job,
kein "Traumberuf" im landläufigen Sinne, nicht nur für die Beamten
selbst, nicht weniger für deren Familien und letztendlich auch für das gesamte
soziale Umfeld. Insofern rüttelt dies Buch auf und regt zu intensivem
Nachdenken an!
Fazit
"Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus." So steht es in Artikel 20
unseres Grundgesetzes. Dem Staat wird durch die Bürger das Gewaltmonopol
übertragen, das der Staat wiederum für das Funktionieren des Rechtsstaates
einzusetzen hat. Die Gewaltenteilung bildet dabei das Gerüst des Rechtsstaates.
Zur exekutiven Gewalt zählen auch unsere Polizisten, die wahrhaftig keinen
leichten Job haben. Besorgniserregend vor allem, dass in letzter Zeit die
Hemmschwelle für boshafte Attacken immer weiter sinken. Teilweise sind
Polizisten und Rettungskräfte diesen Gewalttaten recht hilflos ausgeliefert.
Hinzu kommen, ganz offensichtlich, eine Reihe beklagenswerter
Begleitumstände.
Beim Lesen des Buches war ich hin und hergerissen. Eines wird glasklar: Der
Beruf des Polizisten muss durch eine ganze Reihe deutlicher Verbesserungen
wieder attraktiver werden. Die Polizei ist und bleibt (in zunehmenden Maße)
wesentlicher Bestandteil für unsere Sicherheit, aber auch für den gesicherten
Fortbestand unseres Rechtsstaates. Die Politik ist gefordert: Reden alleine
hilft nicht - handeln ist angesagt und das auf verschiedenen Ebenen!
Aber auch wir Bürger sind gefordert: der Schrei nach mehr Sicherheit erfordert
Vertrauen in unseren Rechtsstaat und die Bereitschaft, entsprechende
Investitionen gut zu heißen. Ein Mehr an Investitionen auf einer Seite bedeutet
zwangsläufig Abstriche an anderer Stelle zu akzeptieren. Ein Euro besitzt zwar
zwei Seiten, aber er kann trotz alledem nur einmal ausgegeben werden. Kurzum:
Wer A sagt, muss auch in diesem Falle B sagen. Hoffentlich passiert etwas -
bald!
Hier und da konnte ich den Ausführungen aber nur zum Teil folgen und ein
bißchen weniger Druck auf die Tränendrüsen hätte es an der ein oder anderen
Stelle auch getan. Beispielsweise ist die Frage nach dem "Wie" für
optimale Abstimmung von eigener Karriere, beruflichen Anforderungen des
Ehepartners und die Vereinbarkeit in zahlreichen modernen Familien ein Thema,
ebenso wie der Umgang mit schlechter Bezahlung, ungünstigen Arbeitszeiten
u.v.m.
Vorgeschlagen von Dietmar Langusch
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veröffentlicht am 19. April 2020 2020-04-19 16:16:32